Österreichische Pässe für Südtiroler – und die Folgen
Der Plan, Südtirolern einen Sonderstatus zu gewähren, könnte eine Lawine der Doppel- und Mehrfachpässe lostreten.
Es ist ein alter Wunschtraum nationaler Politiker, Südtirol, das am Ende des Ersten Weltkriegs Italien zugeschlagen wurde, wieder enger an Österreich anzubinden. Die neue Regierung gebar deshalb den Plan, den deutschsprachigen Südtirolern die österreichische Staatsbürgerschaft anzudienen. Wie weit sich dieser Plan auf ein echtes Bedürfnis der dortigen Bevölkerung stützt oder lediglich der Versuch ist, ein bisschen deutschnationales Feeling in die Regierungsarbeit einzubringen, ist derzeit schwer abschätzbar. Freilich wäre solch eine Aktion geeignet, das diplomatische Gefüge zwischen Österreich und Italien zu stören. Ob das im Interesse der Südtiroler ist, die in ihrer privilegierten autonomen Provinz Bozen recht gut leben?
Jetzt sind die Südtiroler italienische Staatsbürger mit Sonderrechten. Besteht nicht die Gefahr, dass sie mit einem österreichischen Pass plötzlich so etwas wie Ausländer würden?
Einer der großen Vorteile der europäischen Integration in der EU ist doch, dass die nationale Staatsbürgerschaft an Bedeutung verliert gegenüber dem Bewusstsein, dass wir als Europäer mit jeweiliger nationaler Identität in einem geeinten Europa leben. Die Reise- und Niederlassungsfreiheit stärken dieses Gefühl ebenso wie die gemeinsame Währung und eine europäische kulturelle Gemeinsamkeit.
Wie da das Angebot eines Doppelpasses für eine im Nachbarland lebende Minderheit zu einem besseren Leben führen soll, erschließt sich nicht. Nahezu überall leben in Grenzregionen Minderheiten mit starker ethnischer und kultureller Bindung zum Nachbarland: Katalanen und Basken in Spanien und Frankreich, Deutsche im französischen Elsass, Polen und Russen in den baltischen Staaten, Ungarn in der Slowakei und so weiter.
Vorbild für diesen Plan der Herren Kurz und Strache dürfte ihr besonderer Freund Viktor Orbán sein. Dieser hat den Traum von einem „Großungarn“nie aufgegeben – zumindest benutzt er ihn, um nationalistische Gefühle seiner Wählerschaft zu befriedigen. Deshalb fordert er seit Jahren, Ungarn im Ausland die ungarische Staatsbürgerschaft zu verleihen.
Man stelle sich nur vor, Slowenien böte den Kärntner Slowenen die slowenische Staatsbürgerschaft an. Oder Kroatien wollte dasselbe für die burgenländischen Kroaten. Ganz abgesehen davon, dass diese Volksgruppen in ihrer großen Mehrheit an einer solchen Aktion kaum interessiert sein dürften, wäre der Aufschrei der freiheitlichen Recken wohl enorm laut. Es täte uns rundum gut, wollte man sich um besseres Verständnis untereinander bemühen, statt durch Debatten um Doppelstaatsbürgerschaften längst begrabene ethnische Konflikte wieder aufleben zu lassen.