Nordkoreas Diktator bremst Donald Trump aus
Kim Jong Uns Charmeoffensive könnte zu direkten Gesprächen mit Südkorea führen.
SEOUL. Die Neujahrserklärung von Nordkoreas Führer Kim Jong Un zeigte, wie gekonnt sich der Jungdiktator auf diplomatischem Parkett zu bewegen weiß. Die Entwicklung von Nordkoreas Atomprogramm sei abgeschlossen, 2018 gehe es um die Massenproduktion von Atomwaffen und Interkontinentalraketen, mit denen er die USA treffen könne.
In der gleichen Rede eröffnete Kim auch die neue Strategie, direkte Kontakte mit Südkorea aufzunehmen – in der Hoffnung, so einen Keil zwischen Seoul und Washington zu treiben. Südkorea bestätigte Gesprächsbereitschaft und schlug ein erstes Treffen bereits am 9. Jänner im Grenzort Panmunjeom vor.
Von Tauwetter zu sprechen wäre verfrüht. Die Zeichen deuten jedoch klar in Richtung Deeskalation, bei der die USA keine Rolle übernehmen würden. Kim scheint sogar eine gewisse Eile zu bekunden, indem er einen dringenden Dialog noch vor Eröffnung der Olympischen Winterspiele im Februar im südkoreanischen Pyeongchang wünscht. Kim geht noch einen Schritt weiter und regte an, dass Nordkoreas Wintersportler an der Olympiade teilnehmen, was Südkoreas Präsident Moon Jae In 2017 angeboten hat. Nördliche Olympioniken im Süden, das wäre der deutlichste Annäherungsversuch seit dem Ende der von Friedensnobelpreisträger Kim Dae Jung begründeten Sonnenscheinpolitik.
Wenige Stunden nach Kims Neujahrsrede antwortete Moons Regierung entgegenkommend auf das Gesprächsangebot, was fraglich machte, wie detailliert sich Seoul mit Washington abgesprochen hatte. Präsident Moon, ein Liberaler, fordert seit Monaten die wirtschaftliche und diplomatische Annäherung an den Norden, während die USA unter Präsident Donald Trump eine Abschottungspolitik mit verschärften Sanktionen forcieren.
Dieser Politik stellt sich Moon jetzt entgegen: „Wir haben Bereitschaft bekundet, jederzeit, an jedem Ort und in jedem Format in einen Dialog mit Nordkorea einzutreten, solange beide Seiten über die Wiederherstellung ihrer Beziehungen und des Friedens auf der koreanischen Halbinsel diskutieren können“, sagte ein Sprecher.
Die beachtliche Veränderung in Ton und Politik, hin zu möglichen bilateralen Gesprächen zwischen den beiden Koreas, deutet darauf hin, dass Kim das Zeitfenster gekommen sieht, die Initiative zu übernehmen und die Verbündeten zu spalten.
Denn Trump zeigte sich unlängst auch erzürnt über China, das die Lieferung von Öl nach Nordkorea zugelassen und sich damit über UNO-Sanktionen hinweggesetzt habe. Südkorea beschlagnahmte zwei Öltanker, die unter Verdacht standen, Erdölprodukte mittels Schiff-zu-Schiff-Transfers auf hoher See an Nordkorea zu liefern.
China reagierte gelassen auf Trumps Vorwürfe, und Präsident Moon wettet jetzt wohl darauf, dass der US-Präsident nicht in der Lage sein wird, größeren Druck auf Nordkorea auszuüben. Auch setzt sich Moon mit der Gesprächsbereitschaft über die Bedingung Trumps hinweg, sich erst mit Nordkorea an den Tisch zu setzen, wenn dieses deutlich macht, dass es seine Atomund Raketentests aufgibt und dass das Endziel eine vollständige und nachprüfbare Demontage von Nordkoreas Nuklearpotenzial ist.
Der Sanktionsdruck macht Kim sicherlich zu schaffen und könnte eine Rolle bei der Gesprächsouvertüre gespielt haben. Doch Kim scheint seine Ziele zu erreichen. Ein geradezu erleichtertes Seoul verzichtet auf Auflagen für Gespräche und die Beziehungen zwischen Seoul und Washington sind gespannt.
Sollte es zu formellen Gesprächen kommen, wird Kim auf Zugeständnisse und Geldzahlungen pochen, auf die Aufhebung der Sanktionen sowie den Abbau der US- Militärpräsenz in Südkorea. Auf sein Nukleararsenal verzichten wird Kim nicht, er wird es höchstens einfrieren. Nordkorea hat von den gestürzten Regimes im Irak und Libyen gelernt, was es bedeutet, sein Abschreckungspotenzial aufzugeben.