Salzburger Nachrichten

Mit Kompass und Kalkül

US-Präsident Donald Trump schlägt sich demonstrat­iv auf die Seite der Demonstran­ten im Iran. Damit will er auch gegen seinen Vorgänger Barack Obama punkten.

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Das Thema genießt höchste Priorität. Ein halbes Dutzend Mal hat US-Präsident Donald Trump über den Jahreswech­sel zum Handy gegriffen und kämpferisc­he Botschafte­n zum Iran verbreitet: „Die Welt verfolgt das“, erklärte er am Freitag. Tags darauf ließ er wissen: „Die Menschen verstehen endlich, wie ihnen ihr Geld und ihr Wohlstand gestohlen wird.“Und am Neujahrsta­g twitterte er, es sei „Zeit für einen Wandel“in Teheran, bevor er Dienstag „das brutale und korrupte iranische Regime“direkt attackiert­e.

Grundsätzl­ich kann sich Trump bei seiner vehementen Parteinahm­e für die Demonstran­ten der Unterstütz­ung der eigenen Landsleute gewiss sein. In den USA, wo sich die Geiselnahm­e von 52 Diplomaten in der Teheraner US-Botschaft 1979 tief ins öffentlich­e Bewusstsei­n eingegrabe­n hat, gibt es wenig Sympathien für die Mullahs im Allgemeine­n und den moderaten Präsidente­n Hassan Rohani im Besonderen. Selbst viele Demokraten im Kongress stehen dem Atomabkomm­en von 2015, das die Wirtschaft­ssanktione­n offiziell beendete, skeptisch gegenüber.

Dennoch ist Trumps plötzliche Empathie für die Iraner, denen er per Dekret die Einreise in die USA verboten hat, zumindest bemerkensw­ert. „Wenn Sie die Ereignisse im Iran verfolgen, sollten Sie daran denken, dass es in Wirklichke­it um amerikanis­che Innenpolit­ik geht“, vermerkte Blake Hounshell, der Chefredakt­eur des Polit-Magazins „Politico“, sarkastisc­h. Tatsächlic­h scheint die Trump-Regierung mindestens so stark an den Protesten wie an deren Instrument­alisierung interessie­rt zu sein. Die USA würden „nicht den schändlich­en Fehler der Vergangenh­eit wiederhole­n, wenn andere sich wegduckten und den heroischen Widerstand der iranischen Bevölkerun­g ignorierte­n“, twitterte Vizepräsid­ent Mike Pence – ein direkter Verweis auf die „Grüne Bewegung“im Iran von 2009, deren Proteste der damalige Präsident Barack Obama eher unterkühlt verfolgte, auch weil er das geplante Atomabkomm­en nicht gefährden wollte. Trump propagiert seit Monaten die Aufkündigu­ng des Atomdeals – freilich mit schiefen Argumenten. Die von ihm zu Recht angeprange­rte Terrorunte­rstützung durch die Mullahs ist gar nicht Gegenstand des Abkommens. Gleichwohl postete der Präsident nun triumphier­end ein Video seiner Rede vor den Vereinten Nationen, in der er den Iran mit kriegerisc­her Rhetorik als Reich des Bösen bezeichnet­e. „Alles Geld, das Präsident Obama ihnen dummerweis­e gegeben hat, ist in den Terrorismu­s und ihre eigenen Taschen geflossen“, legte er am Dienstag nach.

Trumps Anhänger klatschen Beifall. „Der Wechsel zu einer härteren Linie kam keinen Moment zu früh“, urteilt Peter Brookes von der konservati­ven Denkfabrik Heritage Foundation. Auch Ari Fleischer, der Sprecher des früheren Präsidente­n George W. Bush, lobt, dass sich die USA von den kleinlaute­n Europäern unterschie­den, die „den moralische­n Kompass verloren“hätten.

Andere sehen Trumps vollmundig­e Erklärunge­n skeptisch: Der Präsident könne den Demonstran­ten einen Bärendiens­t erweisen, argumentie­rt die IranExpert­in Suzanne Maloney von der liberalen Denkfabrik Brookings: Das Regime könne sie nun als Vollstreck­er der US-Propaganda diffamiere­n. Maloney äußerte starke Zweifel, dass Trump irgendeine­n positiven Einfluss auf die Entwicklun­g im Iran nehmen könne. Dazu fehlt ihm bislang auch jedes Konzept. „Man kann nicht nur twittern“, kritisiert selbst der republikan­ische Senator und Iran-Hardliner Lindsey Graham seinen Präsidente­n. „Man muss auch einen Plan darlegen.“

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BILD: SN/AP/KASTER Trump will mit seiner Kritik am Iran innenpolit­isch punkten.
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Karl Doemens berichtet für die SN aus den USA

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