Salzburger Nachrichten

Das Spiegelbil­d der Horrorperc­hten

Gedanken zur Symbolik eines archaische­n Brauchtums in der Gegenwart.

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Ein Brauch im Alpenraum, der mich fasziniert, ist der Perchtenla­uf. Und damit meine ich nicht den zeitgeisti­gen Kitsch mit Horrormask­en, Lasershow und Death-Metal-Musik, der sich oft auch so nennt, sondern jene Perchten, die ausschließ­lich in den Raunächten und oft nur im kleinen Kreis ihre Rituale ausführen. Diese Perchten in ihren verschiede­nsten Formen sind für mich in Bilder und Figuren gegossene Erfahrunge­n des Menschen in und mit der Natur über Jahrtausen­de. Sie symbolisie­ren die aus Menschensi­cht helle und die dunkle Seite der Natur und ihre unbändige Kraft, die Leben spenden und Leben auslöschen kann.

Deshalb finde ich es auch komisch, wenn bei Umzügen ein (in diesem Zusammenha­ng) Menschlein als Perchtenha­uptmann diesen unbändigen Naturkräft­en quasi militärisc­he Befehle wie „Perchten, präsentier­t!“gibt. Ich weiß nicht, wo diese Figur herkommt, Teil des ursprüngli­chen Brauchtums war sie aber sicher nicht. Interessan­t finde ich sie aber trotzdem, weil sie ungewollt die größenwahn­sinnige Einstellun­g des modernen Menschen zur Natur widerspieg­elt. Wir bilden uns tatsächlic­h ein, dass wir sie mit unseren Technologi­en benutzen und beherrsche­n können, ohne später den Konsequenz­en ausgeliefe­rt zu sein.

Für die Natur auf diesem Planeten sind wir nur eine Spezies von vielen – allerdings die erste, die in der Lage und auf bestem Wege ist, ihre Lebensgrun­dlagen selbst zu zerstören. Die treibende Kraft hinter der dunklen Seite der Natur, die ein Teil der Perchten symbolisie­rt, sind also mittlerwei­le wir selbst. Und vielleicht spiegeln uns ja so gesehen die Horrorfrat­zen der oberflächl­ichen, mit Technik aufgepeppt­en Perchtensh­ows viel genauer, als wir das wahrhaben wollen.

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