„Ich glaube, es kann gelingen“
Nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen starten Union und SPD ihre Gespräche. Die Parteichefs sind quasi zum Erfolg verdammt. Kanzlerin Angela Merkel gibt sich optimistisch.
Mehr als drei Monate sind seit der deutschen Bundestagswahl vergangen. Entsprechend hoch ist der Druck, unter dem CDU, CSU und SPD am Sonntag die Sondierungen für eine Fortsetzung ihrer Koalition begonnen haben. Binnen fünf Tagen soll klar sein, ob eine Merkel-GroKo Nummer drei überhaupt eine Chance hat. Die Führungen der bisherigen Regierungspartner wollen bis zur Nacht auf Freitag ausloten, ob sie ihren Parteigremien formelle Koalitionsverhandlungen über eine Neuauflage von SchwarzRot empfehlen können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und SPDChef Martin Schulz sind alle drei nach den schlechten Ergebnissen bei der Bundestagswahl angeschlagen und auf einen Erfolg der Verhandlungen angewiesen. Ob Zweckoptimismus oder nicht, Merkel betonte am Sonntag jedenfalls, sie gehe optimistisch in die Gespräche. „Ich glaube, es kann gelingen“, sagte sie vor der SPD-Zentrale im Willy-Brandt-Haus, wo die erste Runde der Sondierungen stattfand.
Getroffen haben sich dort am Vormittag zunächst in einer Sechserrunde die Parteichefs und Fraktionsspitzen. Am Sonntagnachmittag beschlossen die 14 Fachsondierungsgruppen ihre konkreten Arbeitspläne. Bis Freitag wollen sich die Arbeitsgruppen abwechselnd in der SPD- und der CDU-Zentrale sowie in der bayerischen Landesvertretung zu Gesprächen treffen.
Besondere Bedeutung wird dabei das Thema Europa haben. Das zeigt sich an der prominenten Besetzung der entsprechenden Sondierungsgruppe mit Merkel, Schulz und Seehofer persönlich als federführenden Verhandlern. Eine Sonderrolle kommt auch der Arbeitsgruppe Finanzen und Steuern zu, weil sie den Spielraum für Investitionen etwa für Soziales und Bildung ausloten soll. Es dürfte auch um Steuererleichterungen für Gering- und Normalverdiener sowie um Erhöhungen für Superreiche gehen. Die Finanz-Sondierungsgruppe tagte am Sonntag in gesondertem Format und sollte am Abend in der großen Gruppe einen Bericht abgeben. In Verhandlungskreisen wurde von einem Finanzspielraum von 45 Milliarden Euro ausgegangen – diese Zahl war auch schon bei den Jamaika-Verhandlungen genannt worden.
Federführend sind beim Thema Finanzen und Steuern der geschäftsführend amtierende Finanzminister Peter Altmaier (CDU), sein bayerischer Amtskollege Markus Söder sowie der Erste Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz (SPD).
„Straff und zielführend“würden die Verhandlungen verlaufen, kündigten die Parteien an. Vermeiden wollen sie Fehler, wie sie bei den gescheiterten Jamaika-Gesprächen passiert sind: Die Verhandlungen wurden durch Sticheleien und Kommentare in den sozialen Medien erheblich erschwert. Dementsprechend soll die Öffentlichkeit über den Stand der Verhandlungen nur nach Absprache informiert werden. Möglich ist, dass zum Ende der Verhandlungstage eine zwischen allen Seiten abgestimmte Erklärung abgegeben wird.
Die Mehrheit der Deutschen (53 Prozent) geht nach einer EmnidUmfrage für „Bild am Sonntag“inzwischen von der Bildung einer Großen Koalition aus. 54 Prozent halten sie für positiv.