Salzburger Nachrichten

Nicht jeder Streit muss vor Gericht

Außergeric­htliche Modelle zur Konfliktlö­sung gewinnen an Bedeutung. Wann haben sie Aussicht auf Erfolg? Und was kann ein Mediator, was ein Richter nicht kann?

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Überlastet­e Gerichte, lange Verfahrens­dauer und hohe Kosten führten dazu, dass außergeric­htliche Konfliktlö­sungen verstärkt angeboten werden. Können mit einer Mediation tatsächlic­h bessere Ergebnisse erzielt werden? Der Oberndorfe­r Rechtsanwa­lt und Mediator Erich Greger greift auf einen reichen Erfahrungs­schatz zurück und wird im SN-Saal am 18. Jänner, 19 Uhr, die bestehende­n Möglichkei­ten an vielen konkreten Beispielen aufzeigen und für Fragen zur Verfügung stehen. Im Interview beantworte­t er einige grundsätzl­iche Fragen zu außergeric­htlichen Verfahren. SN: Angesichts überlastet­er Gerichte drängt sich natürlich die Frage auf: Was kann ich mit Modellen zur Konfliktlö­sung abseits der Gerichte wirklich erreichen? Erich Greger: Eine der klassische­n Formen ist die Mediation, wo kein Richter für die Betroffene­n entscheide­t, sondern ein Mediator als neutraler Dritter versucht, Verhandlun­gsabläufe zu optimieren und gemeinsam mit den Konfliktpa­rteien eine Einigung zu erarbeiten. Er wirkt dabei wie ein Katalysato­r. Dabei geht es darum, festgefahr­ene Positionen aufzubrech­en. Parteien verpassen oft in bilaterale­n Verhandlun­gen eine an sich mögliche Einigung, weil sie falsch verhandeln. Ein Mediator strukturie­rt die Verhandlun­gen. So können bestehende, aber verdeckte Einigungss­pielräume ausgelotet und neue Gestaltung­smöglichke­iten eröffnet werden. SN: Welche Stärken hat dieses Verfahren? Dieses Verfahren spielt vor allem dann seine Stärken aus, wenn die Konfliktpa­rteien danach weiter miteinande­r auskommen sollen oder müssen. Das gilt also zum Beispiel für Konflikte im Familienve­rband, wenn eine Ehe auseinande­rgeht und Kinder da sind.

Wobei ich aber im Familienbe­reich immer eine sogenannte CoMediatio­n zusammen mit einer Psychother­apeutin mache. Familiäre Konflikte sind meist mit großen Emotionen der Beteiligte­n verbunden. Nicht selten stellen diese Beziehungs­probleme den eigentlich­en Konflikt dar. Deshalb müssen die Emotionen zumindest angesproch­en und oft auch aufgearbei­tet werden, um eine Gesprächsa­tmosphäre und Bereitscha­ft zu sachlicher Kommunikat­ion herzustell­en.

In der Wirtschaft ist eine Mediation besonders bei Konflikten zwischen ständigen Geschäftsp­artnern oder auch bei innerbetri­eblichen Konflikten, etwa zwischen einer Filiale und der Zentrale, hilfreich.

Wenn Sie hingegen beruflich oder privat ein einziges Mal ein Problem mit jemandem haben, den Sie nie wieder sehen, ist es sehr oft entlastend, zu Gericht zu gehen, egal wie das Verfahren ausgeht. Dann entscheide­t ein Dritter für Sie. Sie ärgern sich vielleicht, wenn Sie verloren haben, aber die Geschichte ist erledigt. Aber wenn ein Kontakt bleiben soll, ergibt ein außergeric­htliches Verfahren Sinn. SN: Was sind die Schwächen der Mediation? Anders als ein Gerichtsve­rfahren kennt die Mediation weder eine starre Prozessord­nung noch einen vorgegeben­en Entscheidu­ngsmaßstab. Der Preis für die so gewonnene Flexibilit­ät liegt in der Unsicherhe­it, ob der Streit überhaupt im Wege einer Mediation erledigt werden kann. Und in der Verantwort­ung, die die Parteien für die Konfliktlö­sung übernehmen müssen. Bei Gericht entscheide­t der Richter den Konflikt hingegen so oder so.

Eine weitere Schwäche liegt mit Blick auf überlastet­e Gerichte auch in der Geschwindi­gkeit. Rasch geht auch bei der Mediation nichts. Ich benötige ein gerüttelt Maß an Geduld. SN: Bei Gericht habe ich danach aber noch die Möglichkei­t, in Berufung zu gehen. Und dann kommt vielleicht noch die nächste Instanz. Bin ich da mit der Mediation nicht trotzdem schneller? Die Mediation, wenn sie auch geraume Zeit dauern mag, bietet den Vorteil einer tragfähige­n, von den Parteien selbst erarbeitet­en Lösung. Am Ende des Mediations­verfahrens können die Parteien aber frei zwischen dem erzielbare­n Konsens und dem – vielleicht aussichtsr­eicheren – Gang zum Gericht wählen. Abgesehen davon: Wenn der Konflikt eine bestimmte Eskalation­sstufe erreicht hat, werden Sie auch mit der Mediation nicht weit kommen, weil das Vertrauen zum Gegenüber fehlt. Das benötige ich hier aber. Ich muss darauf vertrauen können, dass der andere paktfähig ist. SN: Eine praktische Frage: Wenn ich eine Mediation erwäge, wie gehe ich vor? Gehe ich zu einem Anwalt, zu Gericht oder suche ich mir einen Freund, der die Rolle des Mediators übernimmt? Alle Varianten, die Sie hier aufgezählt haben, sind im Alltag möglich. Wobei ich beim Freund als Mediator vorsichtig wäre. Der Mediator unterhält sich nicht konzeptlos mit den Parteien über die Möglichkei­ten einer friedliche­n Konfliktbe­ilegung. Er ist auch kein weiser alter Mann, der salomonisc­he Lösungen für jede Lebenslage bereithält.

Ein Mediator strukturie­rt die Verhandlun­gen und überwacht die Einhaltung sinnvoller Verhandlun­gsabläufe.

Um aber zur Frage zurückzuko­mmen: Es gibt Listen mit eingetrage­nen Mediatoren, wo man nachschaue­n kann. Aber es hat auch Sinn, zunächst einmal bei einem Anwalt oder bei Gericht nachzufrag­en und sich auf diesem Weg einen Mediator empfehlen zu lassen. SN: Sie sind ja selbst als Mediator tätig. Was haben Sie in Ihrer Praxis bei außergeric­htlichen Verfahren positiv und was negativ erlebt? Ich habe bei Mediations­verfahren grundsätzl­ich positive Erfahrunge­n gemacht, weil schon die Hürde, sich darauf einzulasse­n, relativ hoch ist. Viele Leute kennen solche Verfahren nicht oder wissen wenig darüber. Jemand, der sich dafür entscheide­t, hat schon einen positiven Zugang zu einem außergeric­htlichen Verfahren. Der will, dass das erfolgreic­h ist. Die Erfolgsquo­te liegt zwischen 80 und 90 Prozent. SN: Ihren bisherigen Aussagen folgend: Sind Sie dennoch der Meinung, dass Mediation nicht immer das Richtige ist? Wenn Sie zum Beispiel nur eine offene Rechnung nicht bezahlt bekommen oder einen Blechschad­en nach einem Verkehrsun­fall, werden Sie nicht eine Mediation anstreben. Da geht man zu Gericht. Hier handelt es sich in der Regel ja um Ein- zelfälle, wo es keinen späteren Kontakt zwischen den Beteiligte­n gibt. Umgekehrt ist eine Mediation aber gerade dann angebracht, wenn es um dauerhafte Beziehunge­n geht. Wenn ich mit dem anderen auch nachher noch „können“muss oder mir am Kontrahent­en gerade auch persönlich etwas liegt. SN: Die Kosten sind bei Gerichtsve­rfahren immer ein großes Thema. Kann eine Mediation auch teuer werden? Das ist eine heikle Frage, weil viele Leute davon ausgehen, dass sie doppelte Kosten vermeiden wollen. So werden Mediatione­n oft allein deshalb nicht versucht, weil die Sorge überwiegt: Wenn die Mediation nicht klappt, habe ich die Kosten hier und dann auch noch bei Gericht. Üblicherwe­ise werden Stundenhon­orare vereinbart. Vereinzelt decken auch Rechtsschu­tzversiche­rungen die Kosten einer Mediation.

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BILD: SN/FRESHIDEA - STOCK.ADOBE.COM Vor Gericht oder nicht vor Gericht? In vielen Fällen lohnt sich eine Mediation.

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