Zwischen Licht und Schatten
Für Österreichs Skispringer endete die Vierschanzentournee erstmals seit 40 Jahren ohne Top-Ten-Platz, für den Polen Kamil Stoch mit dem Eintritt in den exklusivsten Club der Welt.
BISCHOFSHOFEN. Der polnische Teammanager Adam Małysz schleppte eine Flasche Champagner in den überfüllten Presseraum am Fuße der Paul-AußerleitnerSchanze und war glückselig. Nach dem Tourneefinale drehte sich alles um Vierfachsieger Kamil Stoch. Mit seinem bereits zweiten Goldenen Adler im Arm, diesmal als GrandSlam-Sieger, überstrahlte der Dominator aus Polen bei der 66. Vierschanzentournee alle. Zum Abschluss durften die SN Punkterichter spielen und Haltungsnoten für die Tops & Flops vergeben. 20,0 Punkte Kamil Stoch. Vier Springen, vier Siege: Eindrucksvoll untermauerte der Pole seine Vormachtstellung im Springerzirkus. „Es war eine aufregende Tournee für mich. Ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe“, sagte der 30-Jährige. Vor ihm war nur Sven Hannawald der Tournee-Grand-Slam gelungen. Der Deutsche meinte als Kommentator von Eurosport: „Willkommen im Club! Sensationell! Ich glaube, er weiß gar nicht mehr, was los ist. Er weiß, er hat es gewonnen, aber er fühlt gar nichts. Das dauert noch ein wenig.“Mit dem Tourneesieg ist es nicht getan: Stoch holte auch noch die Führung im Weltcup. Stimmungsbarometer. Die Skisprung-Stadien in Deutschland waren prall gefüllt, sogar die Qualifikation in Oberstdorf lockte sage und schreibe 14.000 (!) Fans an. Die DSVAdler um Richard Freitag und Andreas Wellinger haben eine Euphorie entfacht, die an die Ära von Sven Hannawald und Martin Schmitt erinnert. Auch die österreichischen Heimspringen in Innsbruck und Bischofshofen waren gut besucht – trotz Krise im ÖSV-Springerteam und unwirtlicher Witterungsbedingungen in Innsbruck. 19,5 Punkte Stefan Horngacher. Der 48-jährige Tiroler ist Trainer des polnischen Nationalteams und gilt als Architekt von Stochs Erfolgen. Horngacher hat bereits mit dem jungen Ka- mil Stoch im Nachwuchs zusammengearbeitet, seit zwei Jahren ist er Cheftrainer. Er hat ein bärenstarkes Team rund um den Tourneesieger geformt, neben Stoch konnte allerdings nur Dawid Kubacki (Gesamt-6.) reüssieren. 19,0 Punkte DSV-Adler. Als Mitfavoriten in die Vierschanzentournee gestartet, konnten die deutschen Springer die Erwartungen zunächst auch erfül- len. Erst ein Sturz von Richard Freitag in Innsbruck ließ den Traum vom ersten Tourneesieg seit Sven Hannawald vor 16 Jahren platzen, Andreas Wellinger wurde Gesamtzweiter. Ob Freitag beim Skifliegen in Bad Mitterndorf sein Comeback feiern kann, ließ Bundestrainer Werner Schuster am Sonntag offen: „Im besten Fall kann er am Kulm zurückkehren, wobei das die schwierigste Schanze im Jahr ist. Das werden wir uns gut überlegen.“ 18,0 Punkte Stefan Kraft. Die Tournee war eine Achterbahnfahrt der Gefühle für den Salzburger. Halbzeitführender in Oberstdorf, ohne Finalqualifikation in GarmischPartenkirchen, „gefühlslos“in Innsbruck (Platz 24) und ein versöhnliches Ende in Bischofshofen. Kraft konnte als Vierter auf seiner Heimschanze am Ende doch wieder lächeln. „Ich bin zufrieden, wie ich gehüpft bin und wie ich das alles zusammengebracht habe“, sagte der 24-Jährige. Und es wäre keine Überraschung, wenn er – wie übrigens auch im Vorjahr – nach der Tournee den Turbo zünden würde. Mit dem Kulm und der WM in Oberstdorf stehen nun zwei Skiflug-Wochenenden vor der Tür. Krafts Kampfansage klingt schon sehr vielversprechend: „Skifliegen ist das Beste, was es gibt. Ich weiß, dass ich es kann.“ 17,0 Punkte Heinz Kuttin. Der ÖSV-Cheftrainer wurde teilweise scharf kritisiert. Aber Kuttin hat stets die Ruhe und den Überblick bewahrt, selbst als sein Vorgänger Alexander Pointner gegen ihn querschoss. Das zeugt von menschlicher Größe und Führungskompetenz. Dennoch bleibt unterm Strich eine höchst triste Tourneebilanz. 15,0 Punkte ÖSV-Team. Erstmals seit der Saison 2005/06 beendeten die Österreicher die Tournee ohne Podestplatz, in der Gesamtwertung wurde Michael Hayböck als bester 14. Damit landete zum ersten Mal seit 40 Jahren kein ÖSVAdler in den Top Ten. Kacherl Gregor Schlierenzauer. Seine Leistungen stehen sinnbildlich für die ÖSV-Krise bei dieser Tournee. Dass sich ein 53-facher Weltcupsieger in Innsbruck und Bischofshofen nicht für Durchgang zwei qualifizieren kann, lässt nicht nur Schlierenzauer selbst, sondern auch die Skisprung-Fans ratlos zurück.