Immer gut statt ständig neu
Das neueste Smartphone, die hippste Mode und der Geschmacks-Kick des jüngsten Kultgetränks: Die Konsumwelt ist schnell und innovativ. Warum viele da Altbewährtes schätzen, das nach Jahren immer noch so ist wie einst.
SALZBURG. Der Zwiespalt stecke wohl in jedem von uns. „Wir lieben das Neue, das Spannende, sind technikverliebt oder einfach nur neugierig“, erklärt Markenexperte Karsten Kilian. Zugleich werde die ständige Überflutung durch soziale Medien, technische Neuerungen und Veränderungen durch die Digitalisierung auch zur Belastung. „Da tut es gut, einen Ruhepol zu haben. Dinge zu finden, die immer schon da und immer schon gut waren.“Kontinuität bieten in einer sich rasant verändernden Welt. „Wie einst bei Oma eben“, meint Kilian.
Dass Traditionsmarken heute beliebt sind wie nie, liegt für den Markenexperten damit auf der Hand. Manche wurden im Zuge des Retrotrends neu belebt, andere sind lange schon stark, und das in verschiedensten Bereichen: ob MannerSchnitte oder Bobby-Riegel, Nivea oder Diana mit Menthol, Matador oder Lego. „Traditionsmarken bieten Orientierung und Sicherheit – und vermitteln ein Stück Kindheit.“
„Sie glauben nicht, was für rührende Briefe erwachsene Männer schreiben, die auf der Tankstelle einen Bobby-Riegel entdecken, der genau so schmeckt wie damals, als ihr Vater ihnen den als Bub immer gekauft hat“, bestätigt Anna Viehhauser, Marketingchefin von Salzburg Schokolade in Grödig. Erfunden wurde der Riegel – benannt nach Graf Bobby – bereits in den 60er-Jahren, damals noch von Bensdorp in Wien. Die Produktion übersiedelte nach Grödig, als beide Unternehmen zu Suchard gehörten – und verschwand angesichts der immensen internationalen Riegelkonkurrenz aus vielen Regalen. Heute beschere die Marke – der man ihr altes Design verpasste – der wieder in heimischer Hand liegenden Salzburg Schokolade Jahr für Jahr Zuwächse, sagt Viehhauser.
Einen langen Dornröschenschlaf unter internationalen Eigentümern hat auch Diana mit Menthol hinter sich. Bereits 1897 von einem Apotheker in Zeiten der österreichischungarischen Monarchie entwickelt, war der Franzbranntwein mit Menthol zum Einreiben eine der ersten überhaupt in Österreich eingetragenen Marken. In der wechselvollen Geschichte gehörte Diana dann zu Unilever ebenso wie zu Reckitt Benckiser oder SSL (Durex, Scholl) – und verschwand von der Bildfläche. „Erstaunlicherweise aber nicht aus den Handelsregalen“, sagt David Burghart. Seine Familie, die unter dem Namen Unipack Abfüller für die Kosmetik- und Pharmaindustrie ist und Diana schon davor abfüllte, hat die Marke 2013 gekauft. „Der Reiz war, eine Marke wiederzubeleben, für die jahrzehntelang keinerlei Werbung gemacht wurde und die dennoch nach wie vor fast jeder kennt.“Große Werbekampagnen könne sich der Familienbetrieb mit 50 Mitarbeitern nicht leisten, räumt Burghart ein. Auf Laufevents aber wolle man den Österreichern – über das treue Stammpublikum hinaus – beweisen, „wie wohl“Diana auch heute noch tut. Dem klassischen Franzbranntwein haben sich ein Balsam und ein Spray dazugesellt, bald soll ein Duschgel folgen. Zugpferd bleibe der Klassiker, und der wird nach wie vor in Glasflaschen abgefüllt. 100.000 Liter sind es mittlerweile im Jahr in der Fabrik in Wien-Liesing. Jetzt will man auch ausländische Märkte erobern.
Auf eine fast ebenso lange und nicht weniger wechselvolle Geschichte blickt Matador zurück. Entwickelt hat die Holzbauklötze mit Stäbchen zum Zusammenstecken ein Eisenbahningenieur, 1903 begann er in Wien mit der Fertigung der Matador-Baukästen. Das zunehmende Verschwinden des Holzklassikers in der modernen Spielewelt wollte schon der ehemalige „Krone“-Miteigentümer Kurt Falk verhindern, der Matador 1978 kaufte und vermehrt auf Kunststoff statt auf Holz setzte. Die Produktion stellte er 1987 ein. „Das Konzept, das Holzspielzeug auf Plastik neu zu trimmen, ist nicht aufgegangen“, sagt Michael Tobias. Auf der Suche nach Matador für seine Kinder hat er 1996 die seit fast zehn Jahren „tote“Marke gekauft – und zunächst in Tschechien, schon bald aber in Waidhofen an der Thaya wieder zu produzieren begonnen. 70.000 Baukästen würden die fünf Mitarbeiter heute im Jahr erzeugen. „Wir sind ein weltweit einzigartiges Konzept, das zudem auf reine Naturmaterialien setzt, und die liegen absolut im Trend“, sagt Tobias. An den Holzklötzen werde man daher nichts ändern, ab kommendem Jahr soll aber die Verpackung ein neues WerkzeugkofferDesign bekommen. „Wir wollen uns in einem Look präsentieren, der auch für Kinder erstrebenswert erscheint, aber dennoch das Erinnerungsmoment für die Erwachsenen bietet.“
Oft sei es Erfolgsrezept, nicht das Produkt selbst, sondern den Auftritt, die Präsentation zu verändern, frecher zu machen, meint Markenexperte Kilian. Auf einer starken Marke ausrasten dürfe man sich jedenfalls nicht. Seinem Lexikon bekannter Marken im Internet (markenlexikon.com) hat er auch gleich einen „Markenfriedhof“beigefügt. Dort ruht etwa Mannesmann neben Maybach. Neue Wege der Vermarktung gebe es viele, auch über das Internet. „Es ist keineswegs so, dass nur ältere Leute Traditionsmarken aus Omas Zeiten schätzen, gerade Junge suchen verstärkt danach“, sagt Kilian. Der Bobby-Riegel hat mittlerweile über 27.500 Facebook-Fans.
„Plastik statt Holz hat nicht funktioniert.“
Michael Tobias, Matador-Chef