Golden Globes: Triumphe und eine Botschaft
Hollywoods Frauen haben die Nase voll und nutzten die Verleihung der Golden Globes als Bühne, um dies deutlich kundzutun.
Wo sonst der Glamour regiert, war in der Nacht auf Sonntag die Farbe Schwarz vorherrschend: In der Galanacht der Golden Globes verliehen Hollywoods weibliche Stars (im Bild von links: Laura Dern, Nicole Kidman, Zoe Kravitz, Reese Witherspoon, Shailene Woodley) der Forderung nach dem Ende von Übergriffen, Belästigungen und Benachteiligungen nicht nur in der Film- und TV-Industrie Nachdruck: „Time’s Up!“stand auf vielen Ansteckern. Auch bei der Vergabe der Preise zeichnete sich zumindest in manchen Kategorien ein Kulturwandel ab.
WIEN, LOS ANGELES. Dass erst recht wieder über Äußerlichkeiten und die Farben von Kleidern berichtet wird anlässlich der Golden-GlobesVerleihung am Sonntagabend, könnte als Ironie missverstanden werden. Aber dieses Jahr waren der rote Teppich und die Bühne bei dieser seltsamen, lauten Hollywoodpreisverleihung eine Echokammer für ein größeres Anliegen.
Ja, es hat sich verändert, wie die Filmbranche sich selbst präsentiert, seit eine große Reportage in der „New York Times“im vergangenen Herbst begonnen hat, die vielfachen Vergewaltigungs- und Nötigungsvorwürfe gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein öffentlich zu machen. Auf einmal wurde der schon 2006 von der Aktivistin Tarana Burke erfundene Hashtag #MeToo auch von Stars genutzt, um auf sexuelle Übergriffe aufmerksam zu machen. Es ist der Versuch eines Kulturwandels, der hier von den Berühmten unternommen wird und der auch den weniger Berühmten nützen soll, in den Jobs hinter der Kamera, in den Berufen abseits des Glamours.
Als sichtbares Zeichen des Protests trugen fast alle Frauen am Sonntagabend Schwarz, bei einer traditionell knallbunten Veranstaltung, als die die Golden-GlobesVerleihung sonst bekannt ist. Unter den Filmpreisverleihungen ist dieser Abend einer der am wenigsten angesehenen, weil es nur eine kleine Gruppe von Auslandsjournalisten ist, die die Preise vergibt und deren Privilegien – von exklusiven Interviewgelegenheiten bis zu aufwendigen Pressereisen – in der Branche berüchtigt ist.
Doch der Abend ist üblicherweise einer der kurzweiligeren, mit kurzen Reden, witzigen Einlagen und daher vielen Fernsehzuschauern. Damit ist er bestens geeignet, um einem politisch-gesellschaftlichen Protest die Bühne zu bieten, unter dem Stichwort „Time’s Up“(„Es reicht!“), das viele Gäste als Anstecker trugen. „Es reicht mit dem Schweigen. Es reicht mit dem Warten. Es reicht mit der Toleranz von Diskriminierung, Belästigung und Missbrauch“, schrieb die Produzentin Shonda Rhimes („Grey’s Anatomy“, „Scandal“).
Die Preise und ihre Verleihung spiegelten den Kulturwandel dann zumindest in Teilen – nicht zuletzt mit der Vergabe des Cecil-B.-DeMille-Preises fürs Lebenswerk an die Medienmogulin, Moderatorin, Schauspielerin und Autorin Oprah Winfrey, die als erste schwarze Frau so geehrt wurde.
Einer der erinnerungswürdigsten Momente des Abends bleibt aber jener Satz, mit dem Natalie Portman die Kategorie „Beste Regie“anmoderierte: „Und hier die rein männlichen Nominierten für die Kategorie ,Beste Regie‘ …“– gewonnen hat dann Guillermo del Toro für „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“(ab 16. Februar im Kino) über eine stumme Putzfrau, die sich in ein Unterwasserwesen verliebt, eine Feier des Seltsamen, Schrägen, nicht Konformen. Dennoch, dass Greta Gerwigs allseits gefeiertes Regiedebüt „Lady Bird“als bester Film und für die beste Hauptdarstellerin gewonnen hat, macht nicht vergessen, dass sie nicht einmal als Regisseurin nominiert gewesen ist.
Sieger des Abends war der Film „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“mit vier Preisen (beste Komödie, Hauptdarstellerin, Hauptdarsteller und Drehbuch), in dem Frances McDormand mit drastischen Mitteln Gerechtigkeit einfordert für ihre vergewaltigte und ermordete Tochter, deren Mörder seit Monaten nicht gefunden wird, ein unerhört bitter-komisches Rachedrama von westernhaftem Gestus.
Und ebenfalls bemerkenswert ist, dass die dystopische Serie „The Handmaid’s Tale“nach dem gleichnamigen feministischen Roman von Margaret Atwood als bestes Fernsehdrama und für ihre Hauptdarstellerin Elisabeth Moss ausgezeichnet worden ist. Die Serie handelt in einer futuristischen, christlichorthodoxen Gesellschaft, die Frauen nur als nützlichen Besitz von Männern betrachtet, und begleitet eine junge Frau, die ihrem Herrn ein Kind gebären soll, bei ihrem Kampf um Freiheit. „Wir waren die Leute, die nicht in der Zeitung vorkamen“, zitierte Elisabeth Moss in ihrer Dankesrede aus Atwoods Roman.
„Wir lebten in den weißen Stellen am Rand der bedruckten Seiten. Es gab uns mehr Freiheit. Wir lebten in den Lücken zwischen den Geschichten.“Und Elisabeth Moss ergänzte mit eigenen Worten, im Sinne des Protests: „Wir leben jetzt nicht mehr in den Lücken. Wir sind die Geschichte, schwarz auf weiß. Und wir schreiben die Geschichte jetzt selbst.“