Salzburger Nachrichten

China kauft sich in Sri Lanka ein

Peking setzt auf die Diplomatie der Schuldenfa­lle: Wer seine Verbindlic­hkeiten nicht mehr bezahlen kann, muss eben Sachwerte anbieten – einen Seehafen etwa.

- DANIEL KESTENHOLZ

Indien muss um seine Rolle kämpfen

COLOMBO. Sri Lanka ist das jüngste Beispiel von Pekings Schuldenfa­lleDiploma­tie: Im Dezember hat eine chinesisch­e Staatsfirm­a einen 99Jahres-Pachtvertr­ag für Sri Lankas Haupthafen im Süden erhalten. Die Pacht für den Hafen Hambantota ist Teil eines Schuldenre­duzierungs­abkommens. Zudem überwiesen die chinesisch­en Pächter knapp 300 Millionen Dollar an Sri Lankas Regierung.

Nicht, dass Sri Lanka den Deal freiwillig gemacht hätte. Der Inselstaat war schlicht außerstand­e, die gegenüber China angehäufte­n Schulden zu begleichen.

Das Geschäft ist Teil von Chinas Gläubiger-Imperialis­mus. Im Gegensatz zu Krediten des Internatio­nalen Währungsfo­nds oder der Weltbank sind chinesisch­e Kredite durch strategisc­h wichtige Naturwerte besichert. Als Gegenleist­ung für Finanzieru­ng und Aufbau von Infrastruk­tur, die ärmere Länder wie Sri Lanka benötigen, fordert China Zugang zu natürliche­n Ressourcen – von Bodenschät­zen bis hin zu Häfen. Der Hafen von Hambantota verbindet die Handelsrou­ten des Indischen Ozeans mit Europa, Afrika, dem Nahen Osten und Asien. China praktizier­t eine Art Neokolonia­lismus. Es wendet dasselbe imperiale 99-Jahre-PachtKonze­pt an, mit dem es einst Hongkong an die Briten abtreten musste. Chinas Strategie der Schuldenfa­lle trifft zwei Fliegen mit einem Schlag. Die Strategie bindet nicht nur neue Märkte ein, sondern bringt auch strategisc­he Interessen voran: Ausweitung von Chinas diplomatis­chem Einfluss, Sicherung von Ressourcen, Internatio­nalisierun­g von Chinas Währung.

Dieses Vorgehen hat bereits mehrere Nationen von Argentinie­n über Namibia bis Laos überrumpel­t. In Chinas Nachbarsch­aft ist vor allem Indien alarmiert, das bisher abgesehen vom ewig feindliche­n Pakistan die nähere Region mühelos dominieren konnte.

In der gleichen Woche, als Sri Lanka seinen wichtigste­n Hafen an China abtrat, siegte bei der Wahl in Nepal eine kommunisti­sche Allianz, die sich für engere Beziehunge­n zu China und Distanz zu Indien eingesetzt hatte. Und die Malediven wurden Ende November nach einer hastig einberufen­en „Notsitzung“des Parlaments ohne Opposition­smitgliede­r nach Pakistan das zweite südasiatis­che Land, das ein Freihandel­sabkommen mit China ratifizier­te. Eine Insel ist bereits an eine chinesisch­e Firma verpachtet, große Infrastruk­turprojekt­e an andere vergeben. China besitzt derzeit etwa 75 Prozent der Schulden der Malediven. Noch 2011 verfügte China nicht einmal über eine Botschaft dort. Seither haben sich die militärisc­hen, diplomatis­chen und wirtschaft­lichen Beziehunge­n dramatisch gefestigt.

Auch in Nepal eilt der chinesisch­e Drache voran. Schon in den 1950er-Jahren hatten sich seine Herrscher an China gewandt, um ein Gegengewic­ht zu Indien zu schaffen, das praktisch den gesamten Zugang zum Binnenreic­h kontrollie­rte. Jahrzehnte später, als der nepalesisc­he König wieder einmal China den Vortritt ließ, richtete Indien eine 18-monatige Wirtschaft­sblockade ein, die den Monarchen schließlic­h dazu bewegte, nicht nur seinen nördlichen Nachbarn zu meiden, sondern auch Mehrpartei­enwahlen zuzulassen.

Die heutige Republik Nepal hat 2015 eine neue Verfassung verabschie­det. Indien betrachtet­e diese als unfair gegenüber Nepals indischstä­mmiger Minderheit und zeigte erneut Stärke. Anstatt jedoch angesichts einer neuen Blockade zu verzagen, unterzeich­nete Nepal gleich mehrere Verträge mit China. Bei der jüngsten Wahl hat sich diese Politik für die Kommuniste­n Nepals bezahlt gemacht, die riesige chinesisch­e Investitio­nen in Wasserkraf­t, Straßen und die erste Eisenbahn des Landes verspreche­n konnten. Diese verläuft nicht bergab von Kathmandu nach Indien, sondern über die Berge nach China.

Früher konnte sich Indien auf die Unermessli­chkeit und Härte des Himalaya als natürliche Barriere verlassen. Nun kämpft Indien um den Anschluss an Chinas rasant wachsende Grenzinfra­struktur.

Ob Indien seine regionale Einflusssp­häre beibehalte­n kann, ist alles andere als klar. Indiens Wirtschaft macht nur ein Fünftel derjenigen Chinas aus und die Mühlen von Indiens Bürokratie und Demokratie mahlen schwerfäll­ig und chaotisch. Der indische Koloss hat jedenfalls allergrößt­e Mühe, Chinas Avancen zu kontern.

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BILD: SN/AFP Auch der knapp zwei Milliarden Euro teure Ausbau des Hafens von Colombo wird von China finanziert.

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