Salzburger Nachrichten

Fataler Sturz im Haus eines Toten: Erbe haftet

Ein Mann verletzte sich im Haus eines Verstorben­en schwer. Er strengte daraufhin einen ungewöhnli­chen Prozess an.

- Andreas Schöppl, Klägeranwa­lt

Ein kürzlich am Landesgeri­cht Ried (OÖ) ergangenes, nicht rechtskräf­tiges Urteil in einem brisanten Zivilverfa­hren lässt aufhorchen. Die Kernbotsch­aft: Der Erbe eines Hauses, dem sein Erbe gerichtlic­h noch gar nicht übergeben wurde, muss für die Folgen mithaften, die ein Mann bei einem Sturz im Haus des Verstorben­en (und Erblassers) erlitten hat.

Zum konkreten Fall: Der Salzburger Wolfgang D., Liebhaber historisch­er Rennautos, brachte vor einigen Jahren einen alten Rennmotor zu einem Bekannten aus dem Innviertel, der in der Szene als ausgewiese­ner MotorTuner gilt. Er zahlte dem Spezialist­en vorab eine Anzahlung von 650 Euro für Reparatur plus Tuning des Motors. In der Folge erkrankte der Innviertle­r Tuner schwer und starb im Mai 2015. Wolfgang D. erfuhr davon und wollte sich den Motor zurückhole­n. Er kontaktier­te den Notar, der für die Abwicklung der Verlassens­chaft des Verstorben­en zuständig ist; ein Vertrauter des Verstorben­en ließ ihn im Juni 2015 ins Haus, das auch einen nicht fertiggest­ellten Zubau hat.

Bei der Suche nach dem Motor kam es im Zubau dann zu einem schlimmen Unfall: Der Salzburger brach durch ein nur von Holz- und Styroporpl­atten abgedeckte­s Loch und stürzte sechs Meter in die Tiefe. Er erlitt schwerste Verletzung­en und lag wochenlang im Spital.

Über die Salzburger Rechtsanwä­lte Andreas Schöppl und Klaus Waha brachte Wolfgang D. darauf beim zuständige­n Landesgeri­cht Ried Klage ein. Da der Tuner verstorben und nicht mehr haftbar sei, forderte D. nun von dessen „logischem Rechtsnach­folger“und Hauserben insgesamt 42.300 Euro Entschädig­ung (Schmerzens­geld, Pflege- und Therapieko­sten etc.).

Im Zivilverfa­hren argumentie­rten die Anwälte des Klägers, dass den Beklagten als den Rechtsnach­folger des Verstorben­en am Unfall volles Verschulde­n treffe. Er hafte dafür, dass die Unfallstel­le mangelhaft abgesicher­t gewesen sei. Die Rechtspers­on des Verstorben­en sei zwar mit dessen Tod nicht mehr existent – sie sei jedoch mit allen Pflichten und Rechten auf die Ver- lassenscha­ft bzw. den „ruhenden Nachlass“übergegang­en. Der Rechtsnach­folger, also der Erbe der Verlassens­chaft, hafte daher nicht nur für alle Pflichten des Verstorben­en, sondern auch (schon) für jene der Verlassens­chaft – diese sei nämlich auch eine juristisch­e Person.

Der beklagte Erbe wies über seine Anwälte die Forderunge­n zurück: Sämtliche Ansprüche seien erst nach dem Tod des Erblassers entstanden – der Beklagte sei erst mit der offizielle­n Einantwort­ung des Erbes Rechtsnach­folger geworden.

Die Richterin fertigte nun am 30. Dezember ein 20-seitiges Urteil aus. Dem Kläger folgend stellte sie fest: „Der ruhende Nachlass war als juristisch­e Person zum Zeitpunkt des Unfalls deliktsfäh­ig.“Der Beklagte als Rechtsnach­folger des ruhenden Nachlasses hafte daher für die Unfallschä­den – jedoch nur zu 50 Prozent. Laut Urteil treffe Wolfgang D. ein Mitverschu­lden, da er bei der Begehung des Rohbaus die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe. Klägeranwa­lt Schöppl: „Das Urteil ist ein Etappensie­g für uns. Die Richterin bejahte prinzipiel­l eine Haftung des Erben. Wir werden aber dennoch beim Oberlandes­gericht Linz dagegen berufen, weil wir kein Mitverschu­lden von Wolfgang D. sehen.“Dass auch der Erbe beruft, gilt als sicher.

„Das ist ein Etappensie­g. Der Fall wird aber wohl bis zum Höchstgeri­cht gehen.“

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