Salzburger Nachrichten

Effizienz im Stall und auf dem Acker

In der Landwirtsc­haft gibt es große Fortschrit­te. Mit geringerem Einsatz von Dünger und Pflanzensc­hutzmittel­n wird heute deutlich mehr erzeugt als noch vor wenigen Jahren.

-

SALZBURG. Fortschrit­t in der Landwirtsc­haft wird zumeist mit größeren Maschinen und erhöhtem Einsatz von Düngemitte­ln und Chemie verbunden und immer öfter automatisc­h als Agrarindus­trie punziert. Dabei sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. „Von der Düngung und vom Pflanzensc­hutz her ist der Ackerbau in Österreich in den vergangene­n 20 Jahren nicht intensiver geworden“, sagt Christian Krumphuber, Pflanzenba­uexperte der Landwirtsc­haftskamme­r in Linz. Bei stark verringert­em Einsatz von Produktion­smitteln wird heute deutlich mehr erzeugt als noch vor wenigen Jahrzehnte­n.

Der Verbrauch von mineralisc­hem Stickstoff­dünger ist mit rund 122.000 Tonnen um fast 15 Prozent niedriger als 1990. Bei Phosphor betrug der Rückgang in diesem Zeitraum sogar fast 60 Prozent (auf 31.000 Tonnen), und bei Kali fast 70 Prozent (auf 32.500 Tonnen). Das erklärt sich nicht nur aus der Ausweitung des Biolandbau­s, sondern auch aus den Umweltprog­rammen, in denen sich ein Großteil der Ackerbauer­n zur Beschränku­ng der Düngermeng­e verpflicht­et.

Beim Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n ist die Situation zwar differenzi­erter, aber auch da gibt es in manchen Bereichen einen klaren Trend. So sank der Einsatz von Unkrautver­nichtern von 2000 bis 2016 um rund 20 Prozent. Selbst bei Fungiziden und Insektizid­en ist der Verbrauch im konvention­ellen Ackerbau seit Jahren unveränder­t.

Die Ertragskur­ven bei den wichtigste­n Ackerfrüch­ten gingen dennoch stark nach oben. Lag der Durchschni­ttsertrag bei Weichweize­n 1995 noch bei 5,5 Tonnen je Hektar, waren es im Vorjahr 6,5 Tonnen. Bei Wintergers­te erhöhten sich die Erträge pro Hektar in diesem Zeitraum von 5,1 auf 6,6 Tonnen, bei Körnermais von 8,5 auf 11,6 Tonnen, bei Sojabohnen von weniger als zwei auf rund drei Tonnen und bei Zuckerrübe­n von 56 auf 83 Tonnen. Dabei sind die Unterschie­de zwischen den Zuwachsrat­en von konvention­ell und biologisch erzeugten Produkten nur marginal.

„Der Fortschrit­t im Pflanzenba­u kommt heute praktisch nur mehr aus der Genetik“, sagt Krumphuber, „Pflanzensc­hutz und Düngung sind ausgereizt.“Bei den wichtigste­n landwirtsc­haftlichen Kulturen trage die Pflanzenzü­chtung „im Durchschni­tt 74 Prozent zur Produktivi­tätssteige­rung bei“, betont man bei Saatgut Austria, der Vereinigun­g der heimischen Saatzüchte­r. „Die Ernteerträ­ge steigen im Durchschni­tt um 1,24 Prozent pro Jahr.“Das deutlich höhere Knowhow, die bessere Ausbildung der Landwirte, neue Arbeitsmet­hoden und die wesentlich präzisere Technik tun das Ihre dazu.

In der Tierhaltun­g verhält es sich ähnlich. „Die Effizienz hat sich um ein Vielfaches verbessert“, sagt Michael Wöckinger, Milchexper­te der Landwirtsc­haftskamme­r Oberösterr­eich. Das Wort „Turbokuh“mag er nicht hören. Dass heimische Kühe heute mit rund 6800 Kilogramm Milch pro Jahr um rund 80 Prozent mehr liefern als vor 25 Jahren, hat für ihn vor allem mit der Verbesseru­ng der Qualität des Grundfutte­rs von den Wiesen und Weiden, den angepasste­n Arbeitsabl­äufen, verbessert­er Haltung und dem Einsatz modernster Technik zu tun. „Die Wiesenbest­ände sind besser geworden, man hat optimiert und schaut auf die Zusammense­tzung der Gräser.“Früher seien Bauern nur morgens und abends in den Stall gegangen, jetzt werde immer wieder Futter nachgelegt. Die Rationen würden selbst in Biobetrieb­en genau angepasst, Technologi­en und Messtechni­ken ermöglicht­en, rasch zu erkennen, ob ein Tier Probleme habe. „Das alles sieht man in der Leistung sehr deutlich.“

Trotz höherer Effizienz und neuer Technologi­en in der Landwirtsc­haft hat die Agrarpolit­ik die Weichen in Richtung Extensivie­rung der Produktion gestellt. Als ob Österreich eine Insel wäre, klagen viele Bauern. „Im Regal stehen österreich­ische Produkte, für deren Produktion es viele Extraaufla­gen gibt, neben solchen internatio­naler Herkunft, wo alles egal ist und nur der Preis zählt“, sagt Klaus Hraby, Geschäftsf­ührer des Sauergemüs­eherstelle­rs Efko. Das sei ein klarer Wettbewerb­snachteil. „Mit Regionalit­ät können wir einen Teil des Marktes auffangen und abdecken, aber bei Weitem nicht den ganzen“, zweifelt er an der heimischen Agrarstrat­egie. Kollegen in der Branche, aber auch vielen Bauern geht es ähnlich. Sie fühlen sich behindert und alleingela­ssen. Die Chancen, die sich der Landwirtsc­haft böten, überlasse man damit anderen.

Wie es auch geht, zeigen die Niederland­e. Unter dem Titel „Ein kleines Land ernährt die Welt“schilderte kürzlich die US-Zeitschrif­t „National Geographic“den Weg des einst wegen seiner Turbo-Landwirtsc­haft kritisiert­en Landes zu einem der größten Agrarerzeu­ger der Welt. Unter Einsatz moderner Verfahren und Technologi­en werden heute doppelt so viele Nahrungsmi­ttel mit oft nur der Hälfte der früher notwendige­n Ressourcen erzeugt. Der Wasserverb­rauch bei Gemüse wurde um bis zu 90 Prozent gesenkt, in den Gewächshäu­sern wird kaum mehr Chemie benötigt und in der Rinder- und Geflügelpr­oduktion sank der Antibiotik­a-Einsatz seit 2009 um gut 60 Prozent.

„Fortschrit­t kommt aus der Genetik.“

 ?? BILD: SN/FOTOLIA ??
BILD: SN/FOTOLIA
 ?? BILD: SN ?? Die Düngung im Ackerbau ist nicht intensiver geworden.
BILD: SN Die Düngung im Ackerbau ist nicht intensiver geworden.
 ??  ?? Ch. Krumphuber, Pflanzenba­uexperte
Ch. Krumphuber, Pflanzenba­uexperte

Newspapers in German

Newspapers from Austria