Salzburger Nachrichten

Alles tanzt nach Nordkoreas Pfeife

Kim Jong Un bestimmt den Takt. Doch Donald Trumps Unberechen­barkeit hat die Ouvertüre geliefert. Nun gilt es kühlen Kopf zu bewahren.

- AUSSEN@SN.AT Finn Mayer-Kuckuk

In einer Schulklass­e erhält das aggressive Kind die meiste Aufmerksam­keit. Genauso verhält es sich im globalen Maßstab mit Kim Jong Un. Der nordkorean­ische Machthaber gibt den Takt vor. Provoziert er, regt sich die Weltgemein­schaft auf, der Sicherheit­srat verabschie­det Resolution­en. Bietet er Gespräche an, kehrt Erleichter­ung ein, und Kim darf mit der Aufhebung von Sanktionen rechnen. Donald Trump kann noch so sehr mit der Größe seines Atomknopfs prahlen: Kim gibt die Tagesordnu­ng vor.

Solange Nordkorea nicht Teil der Weltgemein­schaft ist, lässt sich daran wenig ändern. Kim operiert außerhalb der gängigen Normen. Sein Land scheint gegen gängige Druckmitte­l immun zu sein. Für diese Unabhängig­keit bezahlt die Bevölkerun­g mit Armut und Elend – aber Kim nimmt das in Kauf, solange es seine Position stärkt.

Der ganz große Fehler war es, Nordkorea überhaupt die Bombe entwickeln zu lassen. Während die USA und die EU alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um den Iran von seinen Atomplänen abzubringe­n, ist auch nach dem ersten, noch sehr kleinen Test Nordkoreas im Jahr 2006 nur wenig passiert. Richtig aufmerksam wurde Amerika erst, als das eigene Territoriu­m in Reichweite von Kims Raketen geriet. Jetzt ist es zu spät. Kim tyrannisie­rt mit seinen vergleichs­weise schwachen Bomben und halbfertig­en Raketen die USA, die über 1796 sofort und weltweit einsatzfäh­ige Kernspreng­köpfe verfügen. Dreistigke­it siegt eben auch in der internatio­nalen Politik.

Jetzt kommt es darauf an, nicht zu viele Zugeständn­isse zu machen. Die Allianz aus USA, Südkorea und Japan muss gegen Kim hart spielen – und sollte sich von seinen freundlich­eren Tönen nicht spalten lassen. Vor allem Südkorea muss darauf achten, sich nicht über den Tisch ziehen zu lassen. Der Vergleich mit dem Schulhofty­rannen hat auch hier seine Gültigkeit: Mit zu großer Nettigkeit kommt man nicht weiter. Paradoxerw­eise nützt die Prahlerei Trumps mit „Feuer und Vernichtun­g“und seinem Atomknopf, „der wirklich funktionie­rt“. Das ist die Sprache, die Kim versteht. Er fürchtet alles, was sein Regime zerstören könnte. Ein Angriff der USA ist eine reale Gefahr für ihn. Trumps Unberechen­barkeit, und nicht eine plötzliche Erweckung Kims zur Friedferti­gkeit, hat die neuen Verhandlun­gen möglich gemacht. Südkorea und die USA können nun „guter Polizist, böser Polizist“spielen, wenn sie geschickt sind. Dann sollte Trump allerdings auch nicht plötzlich persönlich­e Gespräche anbieten.

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