Zum 600. Mal springt Tosca in den Tod
Die Wiener Staatsoper feiert ein Jubiläum: Seit 1958 wird die Inszenierung der Puccini-Oper von Margarete Wallmann gezeigt.
WIEN. Sie läuft und läuft und läuft … Und das ist keine gegenderte Autowerbung, sondern gilt für die Wiener „Tosca“. Irgendwie war sie immer da: Diese „Tosca“an der Staatsoper in der Inszenierung von Margarete Wallmann steht quasi unter Denkmalschutz, wie auch zum Beispiel Otto Schenks „Rosenkavalier“oder Franco Zeffirellis „La Bohème“, die allesamt mit der Patina der 1960er-Jahre ihre ungebrochene Wirkung entfalten und Generationen von Besuchern – und auch Sängern – prägten. Jeder Direktor war gut beraten, die Opern im Repertoire zu halten und höchstens mitunter die Kulissen aufzufrischen. Am kommenden Freitag findet in der Wiener Staatsoper die 600. Aufführung von Puccinis Opernthriller „Tosca“in der Ausstattung von Nicola Benois statt, die Premiere war am 3. April 1958!
Puccinis Opernreißer bringt Publikum, darauf setzt sogar Christian Thielemann bei den kommenden Osterfestspielen in Salzburg. Experimente mag man nicht, und Regisseure, die sich daran „vergreifen“, werden abgestraft. Das passierte Luc Bondy in New York, wo man an der Met gerade seine ungeliebte „Tosca“entsorgte und durch eine neue ersetzte. Da entstehen Hintergrundgeschichten, denn in New York triumphierte Sonya Yoncheva bei der Silvesterpremiere in der Titelrolle (ab April singt an der Met Anna Netrebko ihre erste Tosca). Yoncheva war eigentlich jetzt für Wien vorgesehen, wurde aber nach der Absage von Kristine Opolais von Dominique Meyer an Intendantenkollegen Peter Gelb „verborgt“. Wobei an der Met auch noch Jonas Kaufmann und Bryn Terfel angekündigt waren, beide sagten gesundheitsbedingt ab. Wien konnte wiederum auf Angela Gheorghiu bauen, eine verlässliche Tosca „vom Dienst“. Und die letzte Diva, in ihrem eigenen Weltbild. Unvergessen ihr letzter Wiener ToscaAuftritt im April 2016, als sie Jonas Kaufmann nach dem herbeigejubelten Dacapo seiner Cavaradossi-Arie „E lucevan le stelle“hängen
Es leuchten die Sterne nur, wenn sie da sind
ließ und nicht erschien auf dem Dach der Engelsburg. Der deutsche Tenorissimo reagierte mit Humor und Charme. Auf YouTube wurde die amüsante Szene seither von Hunderttausenden geklickt.
Dieses Mal war jedenfalls dafür gesorgt, dass ihr keiner die Show stehlen konnte: Angela Gheorghiu erschien auch pünktlich oben auf der Engelsburg, als Massimo Giordano als Cavaradossi seine herzzerreißende Abschiedsarie an die Sterne beendet hatte – und niemand an ein Dacapo dachte. Der italienische Tenor hatte nicht seinen allerbesten Tag an diesem Montag bei der 599. „Tosca“-Aufführung, die eigentlich gute Voraussetzungen für eine ordentliche Wiener Repertoirevorstellung geboten hätte. Neben dem Fanclub der rumänischen Sopran-Diva hatte auch der Scarpia für Zustrom – und Autogrammsammler – gesorgt. Erwin Schrott, viril wie immer, sang den Bösewicht, der in höchster Not von Tosca erstochen wird. Und er hatte auch als Einziger mit seinem markanten Bassbariton kein Problem mit dem Orchester, das – wie auch die Bühne – vom 77-jährigen Dirigenten Jesús López Cobos arg im Stich gelassen wurde. Der Spanier dirigierte völlig ungerührt und teilnahmslos, ein Wunder, dass nichts Gröberes passierte.
Verlass war auf die bewährten Kräfte des Hauses, von Clemens Unterreiner als Angelotti bis Alexandru Moisiuc als Mesner und natürlich Chor und Kinderchor. „Tosca“Nummer 599 ist also abgehakt, jetzt wartet die Jubiläumsausgabe – möge sie besser gelingen.