Salzburger Nachrichten

Abrissbirn­en krachen in die Apsis von Immerath

Nachdem die Dorfbewohn­er abgesiedel­t sind, weicht auch die Kirche dem Kohlebergb­au.

- SN-hkk, KAP, dpa

Der Name „Immerath“trügt ein wenig, denn die Bedeutung der ersten beiden Silben im Sinne von „endlos“oder „ewig während“sind für die Kirche, die diesen Namen trägt, seit gestern, Dienstag, ein Hohn. Allerdings war der neoromanis­che Bau südlich von Mönchengla­dbach, der binnen zwei Tagen zugunsten des Braunkohle­bergbaus dem Erdboden gleichgema­cht worden ist, schon seit vier Jahren nur noch ein Gemäuer. 123 Jahre nach der Einweihung war 2013 die letzte Messe gelesen worden.

Nach der Entwidmung wurde das Gebäude an die RWE Power verkauft. Der Energiekon­zern tritt hier im „rheinische­n Revier“im Dreieck Köln–Aachen–Mönchengla­dbach als Tagebaubet­reiber auf. In diesem größten geschlosse­nen Braunkohle­vorkommen in Europa lagern an die 35 Milliarden Tonnen an Brennstoff, der über Tag gewonnen wird. Nach Angaben der RWE Power wird die gesamte Kohle von hier in Strom umgewandel­t, etwa zwölf Prozent des deutschen Strombedar­fs werden mit rheinische­r Braunkohle gedeckt.

Als Ersatz für das einstige Dorf Erkelenz-Immerath, dessen Gebiet nun im Tagebau „Garzweiler II“liegt, sind seit 2006 einige Kilometer weiter weg neue Häuser gebaut worden; auch ein Stück Autobahn wird verlegt und abgebagger­t. In „Immerath (neu)“, wo nur rund 700 der einst 1500 Immerather hingezogen sind, gibt es bereits eine neue Kapelle St. Lambertus, in der die Kirchenglo­cken, der Taufstein von 1838, das Missionskr­euz aus dem 14. Jahrhunder­t sowie die Marienstat­ue und mehrere Engelfigur­en ein neues Zuhause gefunden haben.

Die meisten Häuser des einstigen Orts im nordrhein-westfälisc­hen Kreis Heinsberg sind längst abgerissen, zuletzt stand nur noch das Gotteshaus aus dem 19. Jahrhunder­t mit Doppelturm­fassade, das wegen seiner imposanten Erscheinun­g im Volksmund „Immerather Dom“genannt wurde. Der Abriss der entleerten Kirche wurde von Protesten begleitet. Am Montag waren Greenpeace-Aktivisten in das Gebäude eingedrung­en. Sie protestier­ten mit Transparen­ten wie „Tagebau stoppen!“und „Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen“gegen den Braunkohle­abbau und für den Erhalt von Kulturgüte­rn. Nachdem die Polizei die Räumung erzwungen hatte, donnerten Abrissbirn­en in die Apsis. Am Dienstag um 13 Uhr stand nur noch der letzte der zwei Kirchtürme.

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Am Montag wurde der Abriss begonnen, am Dienstag war von der Kirche Immerath fast nur noch Schutt übrig.
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