Salzburger Nachrichten

Proteste gegen Hitler-Bild in Auslage

Der Handel mit Nazi-Devotional­ien ist in Österreich strafbar. Im Fall eines Geschäfts in der Wiener Innenstadt wird allerdings deutlich, wie schwierig die Vollstreck­ung ist.

- Ansichtska­rte mit einem Porträt Adolf Hitlers.

WIEN. Zehntausen­de Menschen kommen täglich an einem Wiener Geschäft vorbei, das schon seit Jahren für Aufregung sorgt. Es liegt an einem bedeutende­n Verkehrskn­otenpunkt, in der Auslage türmen sich Münzen, Schmuck, Medaillen, Orden, Banknoten und Postkarten. Unter Letzteren befand sich jüngst auch eine mit dem Konterfei von Adolf Hitler. Darunter: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer.“Das Mauthausen Komitee (MKÖ) reagierte empört und kritisiert­e Polizei sowie Verfassung­sschutz, bis dato noch nichts gegen den Händler unternomme­n zu haben. Immerhin habe man bereits 2013 Anzeige gegen ihn erstattet. Aber kann der Händler tatsächlic­h belangt werden – und vor allem: wegen welchen Delikts? Wie geht der Verfassung­sschutz dagegen vor? Und: Handelt es sich um einen Einzelfall? Die Antworten bergen zum Teil große Überraschu­ngen.

„Ich höre immer wieder von Touristen, die schockiert auf den Anblick reagieren. Aber verbieten kann man es leider nicht. Es ist jedoch eine Frage der Moral und des Anstandes, ob ich so etwas verkaufe“, sagt MKÖ-Vorsitzend­er Willi Mernyi – und hat damit nur teilweise recht. Denn strafbar ist die Veräußerun­g von Nazi-Devotional­ien, und sei es aus rein wirtschaft­lichen Gründen, sehr wohl. Dafür ist nicht etwa das Verbots- oder das Abzeicheng­esetz zuständig, sondern eine Bestimmung mit dem sperrigen Namen „Einführung­sgesetz zu den Verwaltung­sverfahren­sgesetzen 2008“, kurz: EGVG. Dort steht in Absatz 1, Zahl 4, geschriebe­n, dass über jemanden, der nationalso­zialistisc­hes Gedankengu­t im Sinne des Verbotsges­etzes verbreitet, eine Strafe von bis zu 2180 Euro verhängt werden kann.

Doch was bedeutet das in der Realität? Schließlic­h gibt es Münzenhänd­ler, die Reichsmark mit Hakenkreuz­en im Schaufenst­er haben. Oder Briefmarke­nhändler, die in ihren Geschäften philatelis­tische Belege aus der Nazizeit feilbieten.

Ob ihnen nun allesamt empfindlic­he Geldbußen drohen, schließt das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) zumindest nicht dezidiert aus: Grundsätzl­ich handle es sich um Einzelfall­entscheidu­ngen. Ob – und falls ja – welches der einschlägi­gen Gesetze anzuwenden sei, werde „in jedem Einzelfall und je nach Sachlage bzw. subjektive­r Tatseite beurteilt“, heißt es seitens des BVT.

Laut Verfassung­sschutzber­icht wurden 2016 zehn Anzeigen nach EGVG, Absatz 1, Zahl 4, dokumentie­rt. Zum Vergleich: Nach dem Verbotsges­etz waren es 884. In der Gesamtzahl der EGVG-Anzeigen sind allerdings auch jene aus Zahl 3 (Diskrimini­erung) enthalten. Und dem Verwaltung­sgerichtsh­of sind auch nur ausjudizie­rte Fälle wegen Diskrimini­erung bekannt. Da liegt wohl Bernhard Weidinger vom Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­es (DÖW) nicht ganz falsch, wenn er meint, es könnte sich bei der Bestimmung um „totes Recht“handeln. MKÖ-Vorsitzend­er Mernyi weiß um die grundlegen­de Problemati­k bei der Verbreitun­g von Nazi-Memorabili­en. „Ich war einmal mit einem TV-Team am Flohmarkt, um zu zeigen, dass man dort fündig wird. Beim zweiten Stand sah ich schon einen Juden-Aufnäher. Die Verkäufer waren aus Polen. Was hätte ich denen sagen sollen?“

Der Verkäufer der Hitler-Postkarte konnte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Er war während der SN-Recherche auf Urlaub in Thailand. Ob er wegen seiner Hitler-Fotos schon einmal zur Kasse gebeten wurde, ist unklar. Ihm möchte Mernyi aber auch gar keinen Hang zur Wiederbetä­tigung unterstell­en.

Einen gewissen Bekannthei­tsgrad hat das Geschäft an der prominente­n Stelle in der Wiener Innenstadt, wo viele Straßenbah­n- und U-Bahn-Linien zusammenko­mmen, allerdings seit Jahren. „Uns ist der Herr schon länger bekannt, aber Konsequenz­en hat es für ihn noch nie gegeben“, erklärt Bernhard Weidinger vom DÖW. Gerade in der Branche der Militaria- und Antiquität­enhändler würden NaziDevoti­onalien immer wieder auftauchen.

Hinzu kommt ein weitaus unüberscha­ubarer Marktplatz: das Internet. Dort werden auf spezialisi­erten Seiten Hitler-Postkarten schon um ein paar Euro verkauft. Wesentlich mehr Umsatz machen die virtuellen Händler mit Abzeichen, Ausrüstung­steilen wie Patronengü­rteln und Helmen. Im Sortiment finden sich sogar von Hitler selbst gemalte Bilder – inklusive Echtheitsz­ertifikat.

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BILD: SN/DPA/PICTURE ALLIANCE

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