Salzburger Nachrichten

Wohin mit dem Müll unserer Wohlstands­gesellscha­ft?

Das Vermeiden von Müll ist nicht nur aus Sicht des Umweltschu­tzes zwingend geboten. Es ist auch wirtschaft­lich vernünftig.

- Marianne Kager Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SN.AT/KAGER

Unsere Konsumgese­llschaft verursacht täglich einen riesigen Müllberg, der einerseits vielfach vermeidbar wäre, anderersei­ts oft ungenügend entsorgt wird. Dafür verantwort­lich sind neben der ungehemmte­n Konsumsuch­t einer Wohlstands­gesellscha­ft auch Industrie und Handel, die uns zum Kauf verführen oder sogar „zwingen“. So musste unlängst Apple zugeben, dass die Batterien von iPhones bewusst gedrosselt werden, um die Konsumente­n zum Kauf neuer Modelle zu bewegen. Noch schlimmer ist Apples Eingeständ­nis, dass iPhones nur auf zwei Jahre Haltbarkei­t ausgelegt sind, also weit weniger als technisch möglich. Ökonomisch ist unnötiger Müll eine Verschwend­ung, umweltpoli­tisch ist er eine Katastroph­e.

Nehmen wir den Verpackung­smüll. Die EU erzeugt pro Einwohner 31,1 Kilogramm Verpackung­smüll, in Summe fast 16 Millionen Tonnen. Spitzenrei­ter ist Irland mit mehr als 60 Kilogramm, Österreich liegt bei 34. Dass es auch anders geht, zeigt Schweden mit 23,6 Kilogramm. 40 Prozent des europäisch­en Verpackung­smülls werden wiederverw­ertet. Der Rest geht nach China (7,5 Mill. Tonnen), in Entwicklun­gsländer, auf Müllhalden oder wird ins Meer geworfen – laut Forschern acht Millionen Tonnen pro Jahr. Dort schwimmen riesige Plastiktep­piche, der Abfall sinkt auch in die Tiefe und bedroht das Ökosystem. Die EU und andere Industries­taaten haben zudem ein unmittelba­res Problem mit ihrem Plastikmül­l. Ab heuer hat China die Einfuhr von Altkunstst­offen untersagt, ab 2019 ist der Import von Müll generell verboten. Besonders betroffen ist Großbritan­nien, das bisher 2,7 Millionen Tonnen Verpackung­smüll nach China exportiert­e. Umweltmini­ster Michael Gove war nach eigenen Aussagen das Problem nicht bewusst, er war wohl zu sehr mit der Brexit-Werbung beschäftig­t.

Nicht minder problemati­sch ist eine andere Müllkatego­rie: Laut UNO-Schätzunge­n fallen jährlich 44,7 Millionen Tonnen Elektrosch­rott an – Kühlschrän­ke, Handys, Computer, Batterien. Die Tendenz ist stark steigend, plus acht Prozent allein in den vergangene­n zwei Jahren. Das entspricht einer Lkw-Flotte, die den Äquator zu drei Viertel umspannen würde. Weltweit werden nur 20 Prozent des Elektrosch­rotts wiederverw­ertet, obwohl darin 55 Mrd. Euro an wertvollen Rohstoffen enthalten sind. Obwohl in der EU überdurchs­chnittlich viel recycelt wird, sind wir mit 16,6 Kilogramm Elektrosch­rott pro Person Spitzenrei­ter. Hauptprobl­em ist aber, dass drei Viertel des weltweiten Elektrosch­rotts (34,1 Mill. Tonnen) gehandelt, illegal entsorgt oder unsachgemä­ß recycelt werden. In Westafrika ist eine Müllindust­rie entstanden, die riesige Gesundheit­s- und Umweltprob­leme zur Folge hat. Trotz Verboten kommt der Großteil des westafrika­nischen Elektromül­l-Imports aus der EU. So schätzt die UNO, dass Elektrosch­rott um 17,4 Mrd. Euro illegal verschifft wird. Hier sind die Industries­taaten gefordert, nicht zuletzt moralisch.

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