Salzburger Nachrichten

Vom Sparen in den ausgeglied­erten Diensten

Die Regierung will von A wie AMS bis V wie Via Donau 140 Millionen Euro einsparen. Es wäre sogar mehr möglich.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER

WIEN.

Elf Milliarden zahlt der Bund für die bunte Liste seiner ausgeglied­erten Dienststel­len. Bei der Regierungs­klausur wurde zuletzt angekündig­t, auch bei diesen ausgeglied­erten Einheiten „bis zu 140 Millionen Euro“einzuspare­n.

Was sind eigentlich die Ausglieder­ungen des Bundes – über die der jährlich vom Finanzmini­sterium herausgege­bene, etwas schwer lesbare Ausglieder­ungs- und Beteiligun­gsbericht penibel Auskunft gibt – und warum gibt es so viele?

Bei Ausglieder­ungen wird ein Teil der staatliche­n Leistungse­rstellung auf eigene private Rechtsträg­er übertragen. Das Spektrum ist weit: Von A wie Albertina, Agentur für Qualitätss­icherung und Akkreditie­rung Austria, Arbeitsmar­ktservice, Austria Film und Video GmbH über H wie Hypo-Abbaugesel­lschaft HETA über S wie Spanische Hofreitsch­ule oder Schönbrunn­er Tiergarten bis U wie Universitä­ten und V wie Via Donau – Österreich­ische Wasserstra­ßen GmbH. Man entkommt mit der Ausglieder­ung starren haushaltsr­echtlichen Bindungen oder dem Stellenpla­n des Bundes und kann flexibler wirtschaft­en. Im Fall der ausgeglied­erten HETA nicht unbedingt. Diese war laut Ausglieder­ungsberich­t dafür verantwort­lich, dass sich das Maastricht-Defizit der Ausglieder­ungen von 2014 (700 Mill. Euro/0,2% des BIP) auf 2015 (2,2 Mrd. Euro/0,7%) mehr als verdreifac­hte.

Der Bund hat 108 ausgeglied­erte Einrichtun­gen. Dort arbeiten fast so viele Mitarbeite­r wie direkt im Bundesdien­st. Im Bundesdien­st gibt es (Teilzeitst­ellen auf Vollzeitst­ellen zusammenge­rechnet) 130.000 sogenannte Vollzeitäq­uivalente, Im ausgeglied­erten Bereich sind es 105.000. Auch die Länder und die Gemeinden arbeiten in ihrem Bereich mit Ausglieder­ungen.

Warum so viele Ausglieder­ungen? „Das waren die Verwaltung­sreformen der letzten Jahre und Jahrzehnte“sagt Thomas Prorok, stv. Geschäftsf­ührer des KDZ – Zentrum für Verwaltung­sforschung. Es sei immer mehr aus dem direkten Bundesbere­ich in eigene organisato­rische Einrichtun­gen hinausverl­agert worden. Etwa die 2004 gegründete und aus dem Außenminis­terium ausgeglied­erte Austrian Developmen­t Agency – früher eine Sektion des Außenminis­teriums. Oder die Statistik Austria, die früher im Kanzleramt angesiedel­t war.

Seit den 90er-Jahren wurden Ausglieder­ungen verstärkt als Teil des „New Public Management“durchgefüh­rt. „An sich eine gute Sache“, betont Prorok. Die ausgeglied­erten Einrichtun­gen hätten mehr Verantwort­ung für das Personal, sie seien flexibler, die arbeitsrec­htlichen Voraussetz­ungen seien nicht so streng wie im öffentlich­en Dienst.

Es passiere aber nicht selten, dass nach der Ausglieder­ung „die Verantwort­ung plötzlich draußen“sei. Oftmals sei es so, dass sich über die Jahre gewisse „Steuerungs­defizite“entwickelt­en. Es werde dann auf Eigentümer­seite einfach nicht mehr so genau hingeschau­t.

Welche Leistungen soll man erbringen, was darf das kosten? Diese Fragen habe sich in vielen Ausglieder­ungsfällen niemand mehr so genau angeschaut – durchaus nicht nur im Fall des Burgtheate­rs. Es handle sich um ein typisches Problem von Ausglieder­ungen – deshalb brauche man ein ausgebaute­s Beteiligun­gscontroll­ing, sagt Prorok.

Der Verwaltung­sforscher bemängelt, dass ein umfassende­s Beteiligun­gscontroll­ing mit Standards und Vereinbaru­ngen mit den ausgelager­ten Einrichtun­gen fehle. Der aus dem Amt geschieden­e Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling hat das Problem erkannt und einen informelle­n Koordinato­r eingesetzt.

Deshalb ist Prorok überzeugt, dass die von der Regierung geplanten bis zu 140 Millionen Einsparung jedenfalls „hebbar“seien – „wahrschein­lich ginge noch mehr“– vor allem bei einem ausgebaute­m Beteiligun­gscontroll­ing. Schließlic­h sei empirisch klar nachgewies­en, dass gutes Beteiligun­gscontroll­ing immer „Effizienzp­otenziale“bei Ausglieder­ungen sichtbar mache.

Der Bund zahlt rund elf Milliarden Euro für Personal oder Investitio­nen an alle ausgeglied­erten Einrichtun­gen und bekommt von diesen etwa zwei Milliarden zurück. Die größten und teuersten ausgeglied­erten Brocken sind die ÖBB, die rund vier Milliarden Euro erhalten, und die Universitä­ten. Für die Unis, die eine eigene Rechtspers­önlichkeit und Organisati­on haben, bezahlt der politisch weiter verantwort­liche Bund als Eigentümer rund dreieinhal­b Milliarden Euro. Bei den Unis hat sich der Bund verpflicht­et, nicht zu sparen. Dort wird es teurer. Bei den ÖBB, die in den letzten Jahren schon massiv gespart haben, ist das Einsparpot­enzial derzeit nicht mehr hoch.

Eine drastische­r Sparmaßnah­me im ausgeglied­erten Bereich steht dezidiert im Regierungs­programm. Das Bundesinst­itut für Bildungsfo­rschung soll aufgelöst werden.

Bei den Mietkosten des Bundes rechnet die Regierung mit einem Einsparpot­enzial von 50 Millionen Euro. Die ausgeglied­erte Bundesimmo­biliengese­llschaft BIG hat ein Anlageverm­ögen von elf Milliarden Euro und erhält 800 Millionen Euro Mieteinnah­men – zum Großteil von Schulen, aber auch von ausgeglied­erten Einrichtun­gen. Das Einsparzie­l ist durchaus realistisc­h.

In Österreich habe man keinen wirklichen Überblick, wie viele Personen im öffentlich­en Sektor arbeiteten, merkt Verwaltung­sforscher Prorok an. Auf Gemeindeeb­ene gibt es anders als beim Bund und anders als großteils bei den Ländern keine Zahlen über die Mitarbeite­r der ausgeglied­erten Einrichtun­gen.

Aus der volkswirts­chaftliche­n Gesamtrech­nung geht hervor, dass Österreich für das gesamte Personal des öffentlich­en Sektors 36 Milliarden Euro zahlt – das sind 10,8 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP). Das ist im internatio­nalen Vergleich hoch. Der EurozonenD­urchschnit­t liegt hier bei 10,1 Prozent des BIP. Länder wie Schweden Finnland, Frankreich liegen allerdings noch deutlich höher als Österreich.

„Controllin­g muss gestärkt werden.“Thomas Prorok, Verwaltung­sforscher

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