Salzburger Nachrichten

Wer steht den Iranern gegen die Tyrannei der Mullahs bei?

Das Regime der Mullahs geriet unter Druck. Es reagierte mit rücksichts­loser Härte. Und Europa schaut wieder einmal zu.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Es scheint ein Muster zu sein, wie in tyrannisch regierten Staaten sich die Unzufriede­nheit von Teilen der Bevölkerun­g langsam aufbaut und nach und nach in heftigen Demonstrat­ionen ausbricht. Der Iran ist derzeit ein Beispiel davon. Dort stellen immer mehr Menschen die Frage, weshalb sie selbst Mangel leiden müssen, während die Oberschich­t der Mullahs im Luxus schwelgt und Milliarden in Konflikte investiert, die zwar der regionalpo­litischen Machtposit­ion der Regierung in Teheran nützen, aber nicht den Iranern.

Die Polizei und die Revolution­sgarden prügeln hemmungslo­s auf Demonstran­ten ein, verhaften reihum jeden, den sie fassen können, und bringen Leute um, die das Grundrecht, die Regierung zu kritisiere­n, in Anspruch nehmen. Die Härte, mit der die Obrigkeit den Demonstrat­ionen begegnet, ist umso größer, je mehr sich die Machthaber bewusst sind, dass die Protestier­er recht haben.

Bemerkensw­ert ist, wie wenig Echo diese Vorfälle gerade in Europa finden. Man hört nichts von Politikeri­nnen und Politikern, die sich mit Empfehlung­en für „richtiges Handeln“geradezu überschlag­en, wenn es um die Außenpolit­ik der USA geht oder um die Siedlungsp­olitik in Israel. Um nicht missversta­nden zu werden: Wer europäisch­e Werte hochhält, der soll durchaus Kritik üben an allerlei Dummheiten von Washington­s internatio­naler Arroganz; und auch was in Israel und dem Westjordan­land passiert, muss uns nicht gleichgült­ig sein. Aber das Engagement für die Menschenre­chte der Palästinen­ser wird unglaubwür­dig, wenn man völlig die Menschenre­chte der Iraner ignoriert.

Mehr noch. Der Iran ist jener Pate, der gemeinsam mit Russland den Tyrannen und Völkermörd­er Baschar al-Assad an der Macht hält. Teheran sponsert die Hisbollah im Libanon, die ebenfalls Assad stützt und zugleich Terro- risten und Raketen nach Israel schickt, um Zivilisten umzubringe­n. Der Iran steuert die Huthi-Rebellen im Jemen, die dort einen Bürgerkrie­g vom Zaun gebrochen haben (in den sich auch Saudi-Arabien einmischt).

Es stünde europäisch­en Politikern durchaus an, den iranischen „Gottesstaa­t“für seine Brutalität gegen die eigene Bevölkerun­g massiv zu kritisiere­n und womöglich wieder mit Sanktionen zu drohen. Schon allein dieser theokratis­che Anspruch müsste den Europäern doch ein Dorn im Auge sein, zumal wir in Europa ja mittlerwei­le wissen, dass Religion mit Politik nicht nur nichts zu tun hat, sondern auch nichts zu tun haben darf.

Tyrannen verstehen nur die Sprache der Härte, nicht sanftes diplomatis­ches Gesäusel. Auch wenn dadurch so manches gute Geschäft mit den Mullahs erschwert würde.

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HEVI Viktor Hermann

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