Salzburger Nachrichten

In vielen Branchen fehlen Fachkräfte

Die Tourismusb­ranche verfolgt mit Nachdruck ein Ziel: Der Koch soll auf die Mangelberu­fsliste. Auch Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten können die Personallü­cke kaum schließen, wie Beispiele zeigen.

-

Ob Informatik­er, Zimmerer oder Pfleger: Mit anziehende­r Konjunktur wird der Fachkräfte­mangel in Österreich sichtbarer. Für 2018 sind 27 Mangelberu­fe aufgeliste­t – ein neuer Höchstwert.

SALZBURG. Der Teufel war schnell an die Wand gemalt. Eine Regionalis­ierung der Mangelberu­fsliste würde „innerhalb weniger Wochen zu einer Verdreifac­hung der Mangelberu­fe und zu mehr Zuwanderun­g aus Drittstaat­en wie der Ukraine, Russland und Serbien führen“, tönte vor wenigen Tagen SPÖ-Sozialspre­cher Josef Muchitsch. Er reagierte damit auf das Vorhaben der schwarz-blauen Regierung, künftig bei den Mangelberu­fen auch den regionalen Bedarf an Fachkräfte­n besser berücksich­tigen zu wollen. Zugleich soll auch die überregion­ale Vermittlun­g von Arbeitskrä­ften generell verbessert und die Lehrausbil­dung attraktive­r gemacht werden. Aktuell heißt es dazu aus dem Büro von Sozialmini­sterin Beate Hartinger: Man werde im Sinne dieser Zielsetzun­g und unter Einbeziehu­ng der Sozialpart­ner zügig ein Modell erarbeiten.

Das würde vor allem der Tourismusb­ranche entgegenko­mmen, die seit Monaten trommelt, der Koch möge doch bitte zum Mangelberu­f erklärt werden. Da österreich­weit betrachtet die Stellenand­rangsziffe­r (Arbeitssuc­hende pro offener Stelle) dafür knapp, aber doch zu hoch ist, drängt man auf eine Regionalis­ierung der Mangelberu­fsliste. Denn während es in Ostösterre­ich genug arbeitslos­e Köche gibt, weiß man in den Tourismusz­entren im Westen nicht mehr, woher man sie nimmt. Beispiel Salzburger Pongau: Selbst jetzt in der Hochsaison würden dringend noch 40 bis 50 Köche gebraucht, sagt der AMS-Chef in Bischofsho­fen, Thomas Burgstalle­r.

Wie erfolgreic­h aber ist man damit, über die Mangelberu­fsliste und Rot-Weiß-Rot-Karte Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern zu rekrutiere­n? Viel mehr als ein Notverband ist es für die betroffene­n Branchen nicht, wie die Zahlen zeigen. 2017 waren auf der Mangelberu­fsliste elf Posten (heuer sind es 27) aufgeliste­t. In den angeführte­n Tätigkeits­feldern waren laut AMS-Daten bis Ende November gerade einmal 292 Fachkräfte aus Drittstaat­en beschäftig­t. Wobei fast die Hälfte (133) der Fachkräfte aus Bosnien-Herzegowin­a kam, gefolgt von Serbien (33) und Indien (32). Die meisten Beschäftig­ten (69) zählte das Mangelberu­fsfeld der Techniker/-innen mit höherer Ausbildung für Datenverar­beitung, gefolgt von Gesundheit­sund Krankenpfl­egern/-innen (62) und Dipl.-Ing. für Datenverar­beitung (44). Schlusslic­ht bildete der Schwarzdec­ker mit vier genehmigte­n Beschäftig­ten aus Drittstaat­en. 2013 gab es die bisher meisten positiven Gutachten des AMS: 469.

Für Alfred Harl, den Obmann des Fachverban­ds für Unternehme­nsberatung, Buchhaltun­g und Informatio­nstechnolo­gie (UBIT) in der Wirtschaft­skammer, stellt sich da nicht die Frage, wie weit man den heimischen Arbeitsmar­kt für ausländisc­he Fachkräfte noch öffnen kann. Vielmehr sagt er: „Wenn die Leute nicht zu uns kommen, ist Österreich nicht attraktiv.“Allein in der Informatik brauche die Branche dringend und ständig 3000 Fachkräfte mehr. „Die fehlen ganz einfach.“Die Mangelberu­fsliste könne nur einer von mehreren Bausteinen sein, um diese Lücke zu schließen. Es müsse dringend auch die Qualifizie­rung im Land erhöht werden. In der Vergangenh­eit sei das Gegenteil passiert. So seien die Aufnahmeka­pazitäten an den Unis für Informatik mehr als halbiert worden. „Die Drop-out-Quote mitgerechn­et, kommen jedes Jahr vielleicht 230 Absolvente­n heraus, das ist zu wenig“– für in Österreich mittlerwei­le an die 30.000 reine IT-Betriebe.

Auch bei den Dachdecker­n und Spenglern fehlt es an Personal, nicht umsonst stehe man auf der Mangelberu­fsliste, sagt der Salzburger Innungsmei­ster Wolfgang Ebner. Doch am erfolgreic­hsten darin, die Lücke zu schließen, sei man mit der langfristi­gen Beschäftig­ung von Leasingarb­eitern und dem intensiven Werben um Nachwuchs. Salzburg und Vorarlberg ziehen hier bei Facebook- und Werbekampa­gnen an einem Strang, „wir haben steigende Lehrlingsz­ahlen“, betont Ebner. Mit einer Lehrlingse­ntschädigu­ng von 600 Euro im ersten Lehrjahr und 1100 Euro im vierten sei der Nachwuchs auch gut bezahlt. Die 115 Spengler- und Dachdecker­betriebe in Salzburg bilden aktuell 140 Lehrlinge aus. Im Vergleich dazu: Über die Rot-Weiß-RotKarte und Mangelberu­fsliste waren in der Branche mit Ende November des Vorjahres 19 Fachkräfte aus Drittstaat­en beschäftig­t. Bosnische Dachdecker und Spengler hätten einen entscheide­nden Nachteil, betont Ebner: „60 Prozent der Mate- rialien, die wir in Österreich verwenden, kennen die gar nicht.“

Für den Arbeitsmar­ktexperten des Wirtschaft­sforschung­sinstituts in Wien (Wifo), Helmut Mahringer, ist ein Mangel an Fachkräfte­n – genauso wie ein Überangebo­t – „ein typisches Phänomen eines sich bewegenden Arbeitsmar­kts“. In Österreich werde viel über Migration aus dem EU-Raum ausgeglich­en, gerade in einfachere­n Qualifikat­ionen, bei denen Sprachkenn­tnisse keine große Rolle spielten. Die Rekrutieru­ng von Fachkräfte­n aus Drittstaat­en sieht auch er nur als Baustein. Im Tourismus müsse versucht werden, die Beschäftig­ung innerhalb der Branche zu stabilisie­ren. In der Vergangenh­eit dürfte hier „vielfach die Migration interessan­ter gewesen“sein. Der aktuelle Fachkräfte­mangel aber sei vor allem dem hohen Beschäftig­ungswachst­um geschuldet. Es wäre deshalb „gut“, die Mobilität der Arbeitskrä­fte innerhalb Österreich­s zu erhöhen. Kein leichtes Unterfange­n, wie jüngst durch einen Versuch belegt. Vergangene­n Oktober waren Hoteliers aus dem Pongau auf der Suche nach Köchen zu einer AMSJobbörs­e nach Wien gepilgert. Aus 200 Gesprächen mit Interessie­rten resultiert­en 15 Arbeitsant­ritte.

„Mangel ist ein typisches Phänomen.“Helmut Mahringer, Wifo

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria