Salzburger Nachrichten

Was ist uns die EU wert?

Das Tauziehen um den nächsten Haushalt der Europäisch­en Union ist eröffnet. Österreich wird wohl mehr als bisher einzahlen müssen.

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EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger ist immer gut für markige Sprüche: „Von 100 Euro, die ein europäisch­er Bürger in Stuttgart, in Berlin, in Wien, in Rom, in Paris, in Vilnius erwirtscha­ftet – Handarbeit, Kopfarbeit und Vermögensa­nlage –, nehmen ihm die Behörden über Steuern, Gebühren, Abgaben, Beiträge im Durchschni­tt 50 Euro ab. Von den 50 Euro geht ein Euro an die EU, zu den dusseligen Bürokraten nach Brüssel“, so wiederholt­e er zu Wochenbegi­nn sein Lieblingsb­eispiel für die schlanke EU-Struktur. 49 Euro blieben dagegen in den nationalen Budgets. Bei Europa zu sparen heiße also, „den einen Euro von 50 zu kürzen. Dabei gibt es 49 andere Baustellen, bei denen man schlanker werden kann“. Oettingers Appell markiert den Auftakt zu den traditione­ll schwierigs­ten Verhandlun­gen in der EU: die alle sieben Jahre notwendige einstimmig­e Einigung auf den langfristi­gen Finanzrahm­en.

Der aktuelle läuft noch bis 2020, meist dauerte das Tauziehen aber Jahre. Diesmal kommt der Austritt des Nettozahle­rs Großbritan­nien erschweren­d dazu. Durch den Brexit fehlen im Haushalt 12 bis 14 Milliarden Euro. Die anderen EU-Nettozahle­r, darunter Österreich, wehren sich mehr oder weniger explizit, diesen Ausfall auszugleic­hen. Ohne höhere Nettobeitr­äge müssten wohl die großen Fördertöpf­e für Landwirtsc­haft und Kohäsion gekürzt werden, was die Nettoempfä­nger treffen würde, aber auch die heimischen Bauern.

Österreich überweist rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr nach Brüssel, was weniger als einem Prozent der Wirtschaft­sleistung oder drei Prozent des Budgets entspricht. Zugleich fließen Milliarden an Förderunge­n zurück. 2016 belief sich der Nettobeitr­ag auf knapp 800 Millionen Euro.

Für die nächste Periode ab 2020 wirbt Oettinger nun für eine „maßvolle Steigerung“des EU-Haushalts von derzeit maximal 1,0 Prozent der Wirtschaft­sleistung auf 1,1 bis 1,19 Prozent. Das sei nötig, um die Brexit-Lücke zur Hälfte zu schließen (den Rest will er einsparen) und die neuen EU-Aufgaben bei Verteidigu­ng, Grenzschut­z und Migration zu finanziere­n.

Deutschlan­d wäre laut Außenminis­ter Sigmar Gabriel bereit, mehr zu zahlen. Nach Schätzunge­n geht es für Berlin um zehn Milliarden Euro. Umgelegt auf Österreich wäre das eine Milliarde Euro mehr. Der für die EU zuständige Kanzleramt­sminister Gernot Blümel (ÖVP) hat beim Antrittsbe­such am Montag in Brüssel diese Forderung zurückgewi­esen: Österreich sei nicht bereit, für eine kleinere EU mehr zu zahlen. Er nehme diese Wortmeldun­g ernst, sagt Oettinger, es gebe aber auch andere Stimmen. So wolle Ungarn den EU-Haushalt auf 1,2 Prozent anheben. Irgendwo dazwischen werde man sich einigen müssen. Oettinger kommt demnächst nach Wien – wohl auch, weil Österreich durch den EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr eine wichtige Rolle bei den Budgetverh­andlungen hat.

Die EU-Kommission will auch neue eigene Geldquelle­n erschließe­n, etwa durch eine Steuer auf Plastik oder Einnahmen aus dem EU-Emissionsh­andel. Zudem könnten die Mittel der EU stärker an die Einhaltung der gemeinsame­n Spielregel­n geknüpft werden.

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