Er brachte sogar die Nazis zum Tanzen
Ein neuer Film erzählt ein wenig bekanntes Kapitel aus Django Reinhardts bewegtem Leben.
WIEN. Er war berühmt für die schnellsten Gitarrenfinger der Welt – und zwar so berühmt, dass er trotz seiner Sinto-Herkunft selbst für die Nazis ein Star war und vor ihnen zu spielen gezwungen wurde: Django Reinhardt, der Erfinder des „Gypsy-Jazz“, steht im Zentrum eines musikalischen Filmporträts, das sich auf das komplizierteste Kapitel seiner bewegten Biografie konzentriert. Ein Gespräch mit Regisseur Étienne Comar. SN: Warum entsteht dieser Film gerade jetzt? Hat das etwas mit einer Sorge zu tun, dass überwunden geglaubte Ideologien wieder bedrohlich geworden sind? Étienne Comar: Nun, jede Zeit ist anders, aber ja, es gibt viele Szenen im Film, die an unsere Welt heute erinnern. Bei der Recherche haben mich all diese Dinge darin bestärkt, diesen Film zu machen, bewusst und sicherlich auch unbewusst. Die Einschränkung eines Teils der Bevölkerung, denen die Reisefreiheit genommen wird, die Rolle der Künstler, die vor Leuten spielen müssen, deren Ideologie sie ablehnen, die zunehmende Schwierigkeit beim Überwinden nationaler Grenzen, all das sind Themen in diesem Film. Einen historischen Film zu machen ohne Beziehung zur Gegenwart, das wäre ein archäologisches Projekt, und das interessiert mich nicht. SN: Der Film erzählt ein wenig bekanntes Kapitel aus dem Leben von Django Reinhardt. Ist das alles tatsächlich so passiert, das Konzert für die Nazi-Elite, die Verbindung mit der Résistance? Es gibt keine Interviews mit Django Reinhardt zu der Zeit, keine Briefe, lediglich Zeitzeugenberichte von anderen. Mein Koautor Alexis Salatko hat ein Buch über Django geschrieben, doch die Zeit, von der wir berichten, macht da nur wenige Seiten aus, wir mussten also viel rekonstruieren. Die Figur seiner Geliebten Cécile ist weitgehend erfunden. Aber das Konzert vor den Nazis gab es wirklich. Ob währenddessen etwas geschehen ist, wie wir es im Film erzählen, das weiß ich nicht. Wir haben uns vorgestellt, dass er mit seiner Musik Widerstand geleistet hat, und das zeigen wir in dieser Szene. Auch die Verbindung zur Résistance gab es wirklich, er brauchte diese Leute ja, um über die Grenze in die Schweiz zu flüchten. SN: Stimmt es auch, dass er für diese Flucht seine Mutter einfach zurückgelassen hat? Ja, und das zeigt auch die Zwiespältigkeit dieses Menschen. Ich mag Figuren, die voller Widersprüche stecken. Er konnte unglaublich großzügig sein, und dann wieder fürchterlich egozentrisch, er hat seine schwangere Frau einfach verlassen, er lässt seine Mutter zurück, das war ziemlich unglaublich. Er ist nicht der Held, als der er manchmal beschrieben wird, aber ich fühle sehr mit ihm. Wissen Sie, als er vor den Nazis dieses große Konzert in Paris gibt, und dann seine Art von Musik spielt, Jazz gemischt mit Blues, mit afroamerikanischen Einflüssen, das ist wie eine Art von „Fuck you“an die – „Ich spiele das vor euch, einfach weil ich es kann!“ SN: In dieser Situation wird Musik zu einem Werkzeug mit subversiver Kraft, fast zu einer Waffe. Kann das auch tatsächlich etwas ändern? Kann ein Film etwas ändern? Sie fragen, ob Kunst die Welt verändern kann? Kunst kann eine subversive Macht haben, das absolut. Ich glaube nicht, dass mein Film subversiv ist, sondern recht klassisch, aber ich versuche damit zu erzählen, wie jemand Musik so einsetzt, das schon. Aber die Welt verändern? Das ist eine andere Frage.
Ich habe früher selbst in einer Band gespielt, und das ist eine faszinierende Welt. Wenn du ein Konzert spielst, wenn du deine Leidenschaft aufs Publikum überträgst, mein Gott, da kann es wirklich unglaubliche Reaktionen geben, da bekommt man ein viel stärkeres Feedback als im Kino, weil es direkt ist und live, emotional, und das siehst du bei jedem Konzert. Das ist pure Physik.
Und Django hatte das Potenzial, selbst die Nazis zum Tanzen zu bringen. Das ist wirklich so passiert und ist ironisch. Und das ist subversiv. Film:
„Kunst kann eine subversive Macht haben.“