Im Labor gedeiht kein Drama
Nicole Kidman und Colin Farrell in „The Killing of a Sacred Deer“.
WIEN. Menschliche Beziehungen unter Laborbedingungen: Wenn A mit x droht, wie reagiert B? Im Film „The Killing of a Sacred Deer“von Yorgos Lanthimos liegt der labormedizinische Vergleich nahe, weil der Protagonist (gespielt von Colin Farrell) Chirurg ist. Vor allem aber, weil alle hier so künstlich agieren, als müssten sie sich sehr konzentrieren, nicht loszulachen (oder loszuweinen).
Die Konstellation ist folgende: Dem Chirurgen ist am Operationstisch ein Patient gestorben. Der Teenagersohn des Patienten hat Kontakt mit dem Chirurgen aufgenommen, der aus schlechtem Gewissen zu regelmäßigen Treffen einwilligt. Seinen eigenen Kindern, einem Teenagermädchen und einem kleinen Buben, ist er ein strenger Vater. Und dann ist da noch seine Frau (gespielt von Nicole Kidman), die den Chirurgen unterstützt, wo sie nur kann. Nun beginnt der Patientensohn allerdings, den Chirurgen zu erpressen: Er solle aus Fairnessgründen – Auge um Auge – ein Mitglied seiner eigenen Familie töten, sonst werden alle drei langsam und qualvoll vergiftet.
In Yorgos Lanthimos’ letztem Film „The Lobster“war eine dermaßen verfremdete Zwischenmenschlichkeit in eine dystopische Parallelwelt versetzt worden.
Dort konnten Liebesbeziehungen nur unter ganz bestimmten mythisch aufgeladenen Regeln begonnen werden. Bereits in „The Lobster“war Hollywoodstar Colin Farrell der ins grauenvolle Dasein geworfene Protagonist gewesen, und spätestens seither ist der griechische Regisseur nicht mehr nur einer kleinen Gruppe an Autorenfilmfans ein Begriff.
„The Lobster“war vor allem aufgrund seiner Merkwürdigkeit unvergesslich, ein streckenweise ärgerliches Wunderwerk, wenn auch ohne jene tiefe Erkenntnis, die der Film suggerierte.
Ähnlich ist es nun mit „The Killing of a Sacred Deer“: Der bedeutungsschwangere Gestus ist derselbe, die hanekehafte Ausweglosigkeit ist hier noch drastischer.
Aber die Metaphorik ist hier wie dort schwerfällig und hält längerem Nachdenken nicht stand. „The Killing of a Sacred Deer“hält sich für klüger, als er ist, und dafür ist der Film mit zwei Stunden schlicht zu lang. Film: