Salzburger Nachrichten

Trotz meines Sturzes komme ich gern zum Kulm zurück

Skifliegen ist die Königsdisz­iplin für die Springer. Das ist Faszinatio­n pur! Deshalb überwiegen bei mir auch ganz klar die positiven Gefühle.

- Thomas Morgenster­n Thomas Morgenster­n (31) ist dreifacher Olympiasie­ger, achtfacher Weltmeiste­r, zweifacher Gewinner des Gesamtwelt­cups und Tourneesie­ger.

Nach der Vierschanz­entournee ist vor dem Skifliegen am Kulm – und da wartet dieses Wochenende auf die Athleten eine ganz neue Herausford­erung. Skifliegen ist die Königsdisz­iplin für die Springer: Die Schanze ist doppelt so groß, schon im Anlauf ist man bis zu 15 km/h schneller, nach dem Absprung beschleuni­gt man auf 130 km/h. Der Luftstand beträgt bis zu acht Meter und man setzt im Idealfall erst weit hinter der 200-Meter-Marke auf. Vier bis fünf Sekunden lang in der Luft zu sein, und das nur auf zwei Ski ganz ohne Hilfsmitte­l – das ist Faszinatio­n pur!

Der Sprung an sich unterschei­det sich aber kaum von dem auf einer Groß- oder Normalscha­nze. Nur kommt manchen das Fliegen eben mehr entgegen. So wie Weltrekord­halter Stefan Kraft, den ich am Kulm unter den ganz großen Favoriten sehe. Er ist der typische Flieger, er versucht, über den Vorbau so wenig wie möglich an Geschwindi­gkeit zu verlieren und aerodynami­sch zu bleiben. Ich war hingegen mehr der Absprungty­p. Das heißt, ich habe nach dem Schanzenti­sch meinen Körper zu steil aufgestell­t. Dadurch gewann ich zwar über den Vorbau immer enorm an Höhe, doch hat mir dafür im letzten Drittel immer die Geschwindi­gkeit gefehlt.

Für die Athleten ist es der erste Flug seit März 2017 in Planica, weil das Trainieren auf einer Skiflugsch­anze nur bei offizielle­n Bewerben unter Aufsicht erlaubt ist. Da hat man beim ersten Sprung schon ein mulmiges Gefühl und versucht sich an die Dimensione­n heranzutas­ten. Und die sind enorm.

Für die zuletzt weniger erfolgreic­hen Österreich­er kommt der Kulm auf alle Fälle zur rechten Zeit. Zwar erwarte ich mir von der Mannschaft keinen Mega-Schritt nach vorn, dennoch bin ich überzeugt, dass sich neben Kraft auch Michael Hayböck und Gregor Schlierenz­auer wieder entscheide­nd verbessert präsentier­en werden. Die Jungen im Team sind hingegen schwer einzuschät­zen – da wäre es schon erfreulich, wenn sie sich für den Wettkampf der besten 40 qualifizie­ren könnten.

Geht es zum Kulm, kommen in mir auch die Erinnerung­en an meinen Sturz hoch. Gestern habe ich diesbezügl­ich meinen vierten Geburtstag gefeiert, gerade erst habe ich mir auch wieder Videos von damals angesehen. Passiert ist es beim zweiten Trainingss­prung, als ich beim Übergang vom Absprung zum Flug hinten die Ski überkreuzt habe. Ich hatte damals großes Glück, keine Langzeitsc­häden davongetra­gen zu haben. Trotzdem hat sich dadurch in meinem Leben einiges verändert und ich denke mir oft, wo ich heute stehen würde, wenn das nicht passiert wäre. Dennoch freue ich mich schon darauf, auch heuer wieder zum Skifliegen an den Kulm zu kommen. Ich kehre immer wieder gern zurück. Es überwiegen ja klar die positiven Gefühle – immerhin habe ich hier 2006 mit Bronze meine erste Einzelmeda­ille überhaupt geholt.

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