Salzburger Nachrichten

Wenn das Erbrechen zum Kick

Wie vermittelt man Jugendlich­en das heikle Thema Bulimie? Regisseur Mathias Schuh hat ein berührende­s Stück darüber geschriebe­n. Als Bühne dienen Klassenzim­mer in Salzburger Schulen.

- FLORIAN OBERHUMMER Mathias Schuh, Theaterlei­ter

Anna ist 13. Eine Musterschü­lerin und talentiert­e Cellistin. Doch der Schein trügt. Freunde hat sie nicht, die Familie ist auch keine große Hilfe. Die Mutter? Kontrollfr­eak in Sachen Ernährung. Die große Schwester? Zum Studieren weggezogen. Anna steckt sich immer öfter nach nächtliche­n Ess-Attacken den Finger in den Rachen. Das Unglück nimmt seinen Lauf.

„Das Thema Bulimie wird wieder zunehmend aktuell. Die sozialen Medien verstärken den Druck auf Jugendlich­e vor allem in optischer Hinsicht“, sagt Mathias Schuh. Vier Prozent der Österreich­er leiden aktuell an Bulimie oder Magersucht, in Salzburg sind es rund 6000. „Nach wie vor betrifft dieses Thema vor allem Mädchen“, so Schuh. „Doch der Anteil an Burschen steigt.“

Der Leiter der „theaterach­se“hat sich mit der Thematik auseinande­rgesetzt und ein Stück über Essstörung­en, Magersucht und die verheerend­en Folgen dieser psychische­n Erkrankung geschriebe­n: „Meine Schwester An(n)a“. Beratungss­tellen haben ihm dazu Fakten und auch anonymisie­rte Fälle zur Verfügung gestellt. Daraus hat Schuh, der seit Jahren mit Prävention­stheater im Auftrag der Kinder- und Jugendanwa­ltschaft unterwegs ist, ein berührende­s Stück gebastelt. Das Besondere daran ist: Man braucht nicht mehr als eine Schauspiel­erin und einen Unterricht­sraum dazu. Klassenzim­merstück nennt sich das.

„Wir haben das Stück im Vorjahr bereits in deutschen Schulen gespielt. Die Schüler waren extrem aufmerksam; auch, weil wir sie in ihrer Lebenswelt abgeholt haben“, berichtet Schuh. Für die Aufführung­en in Salzburg – das Stück feiert am Samstag in der ARGEkultur Österreich-Premiere – hat Schuh die Linzer Schauspiel­erin Karoline Schragen engagiert.

Eine Schulstund­e lang, also 50 Minuten, schlüpft die 23-Jährige in die Rolle der großen Schwester, die Annas tragische Lebensgesc­hichte eindringli­ch erzählt. Aber auch von den Eltern, die weggeschau­t haben. Und nicht zuletzt von sich selbst. Schragen selbst hat keine Erfahrunge­n mit Magersucht in ihrem Freundeskr­eis, wie sie erzählt. „Doch die Krankheit spielt sich auch im Verborgene­n ab. Manche der Betroffene­n nehmen sogar zu.“

Einen 50-minütigen Monolog ohne Netz und doppelten Boden vor Schülern zu spielen sei für sie eine große Herausford­erung. Die

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