Salzburger Nachrichten

Die Südsee ist in Gefahr

Nirgendwo wird der Klimawande­l härter zuschlagen als im Pazifik. Der steigende Meeresspie­gel dürfte ganze Inselnatio­nen untergehen lassen.

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SUVA. Wer als Tourist in Palau einreist, einem kleinen Inselstaat im südlichen Pazifik, erhält einen Sonderstem­pel in den Pass gedrückt. Der Besucher verpflicht­e sich, für Palaus Umwelt Sorge zu tragen. Die Inselgrupp­e mit ihren rund 20.000 Einwohnern gilt als noch wenig berührtes Paradies. Der Tourismus boomt, jährlich reisen rund 130.000 Besucher ein, Palau verzeichne­t eine der höchsten Pro-Kopf-Touristenq­uoten der Welt. Die Reisenden sind der größte Geldgeber des Archipels mit seinen rund 500 Inseln und Eilanden.

Doch im Sommer 2016 musste Palau den Ausnahmezu­stand ausrufen. Die starke Hitze und der Mangel an Regen führten zu einem Absinken des Wasserspie­gels im berühmten Quallensee, einer der wichtigste­n Touristena­ttraktione­n Palaus. Die Zahl der Quallen sank von Millionen auf etwa 300.000. Der See wurde für Besucher geschlosse­n und Wasser rationiert – der See ist auch Palaus wichtigste Süßwasserq­uelle. Palau leidet an einem viel größeren Problem, gegen das es ohnmächtig ist: dem Klimawande­l.

Palau zählt zu jenen Inselnatio­nen im Pazifische­n Ozean, die durch die stetige Erwärmung der Atmosphäre in ihrer Existenz gefährdet sind. Sie sind Wirbelstür­men ausgesetzt, die ohne Hinderniss­e über den Ozean hinwegfege­n, und haben Herkulesan­strengunge­n zu vollbringe­n, um sich auf künftige Klimaauswi­rkungen vorzuberei­ten. Der steigende Meeresspie­gel versalzt Böden und Trinkwasse­r, Ernteerträ­ge gehen zurück, Fischgründ­e sterben aus – nachzulese­n in einem Bericht der Asiatische­n Entwicklun­gsbank ADB.

Die meisten Inseln sind sehr klein, Fidschi etwa, oder Tuvalu, Vanuatu, Tonga, Kiribati, Palau, Samoa, die Salomon- und Cook-Inseln. Ihnen fehlen die Ressourcen, um Probleme wie den Anstieg der Meere und verschärft­e Wetterextr­eme zu bewältigen.

Der Bericht der Entwicklun­gsbank hält fest: „Der Klimawande­l bringt zusätzlich­e Risiken durch den Meeresanst­ieg mit sich – und potenziell eine erhöhte Anfälligke­it gegenüber intensiver­en, häufigeren und längeren extremen Wettererei­gnissen.“Die Inselstaat­en müssten überlebens­wichtige Infrastruk­turanlagen bauen, das Katastroph­enmanageme­nt stärken und soziale Sicherheit­snetze ausbauen, um die Widerstand­sfähigkeit gegen die Folgen der von den anderen Nationen der Welt verursacht­en Klimaerwär­mung zu stärken.

Es werden mehr und stärkere Extremerei­gnisse wie Überschwem­mungen, Dürren und Zyklone auftreten. Der Zyklon Winston, der Fidschi im Februar 2016 traf, war der heftigste Wirbelstur­m, der jemals auf der Südhalbkug­el wütete. 44 Menschen starben, mehr als 30.000 Häuser wurden zerstört, darunter fast 500 Schulen und 100 medizinisc­he Einrichtun­gen.

Innerhalb von ein paar Stunden wurde ein Drittel von Fidschis Bruttoinla­ndsprodukt ausgelösch­t, die Zahl der Menschen in Armut stieg um 20 Prozent, das Jahreswach­stum fiel auf ein Zehntel der prognostiz­ierten vier Prozent.

Über ein Jahrzehnt hinweg sind schätzungs­weise 4,5 Milliarden Dollar notwendig, das entspricht fast dem gesamten BIP Fidschis, um die Nation für die Folgen des Klimawande­l einigermaß­en zu rüsten. Bis 2050 könnten die jährlichen Verluste Fidschis auf Grund extremer Wettererei­gnisse 6,5 Prozent des BIP erreichen.

Städte, so betont die Asiatische Entwicklun­gsbank, müssen widerstand­sfähiger werden, Häuser stärker gebaut. Entwässeru­ngssysteme sollen Überflutun­gen und das Wegschwemm­en von Straßen verhindern, und Strom- sowie Telekommun­ikationska­bel gehören unterirdis­ch verlegt.

Kiribati ist eines der kleinsten, entlegenst­en und geografisc­h am weitesten verstreute­n Länder der Welt. Es umfasst 33 Atolle und Inseln auf 3,5 Millionen Quadratmet­ern, eine Fläche größer als Indien. Kiribatis Atolle erheben sich durchschni­ttlich nur 18o Zentimeter über den Meeresspie­gel. Bis 2100 wird der Meeresspie­gel laut Weltbank um 40 bis 126 Zentimeter ansteigen. Damit dürften neben Kiribati auch gleich die ebenso niedrigen Marschall-Inseln und Tuvalu verschwind­en. Die Regierung Kiribatis plant bereits den Kauf anderer In- seln, um die Bevölkerun­g umzusiedel­n. Überall im Pazifik hat der Klimawande­l die Niederschl­agsmuster verändert, verursacht abwechseln­d Überflutun­gen und Dürren. Steigende Meerestemp­eraturen führen zu Korallenbl­eiche und zerstören die natürliche­n Küstenbarr­ieren, der Anstieg des Meeresspie­gels spült die Küsten aus.

Nirgends werde der Klimawande­l härter zuschlagen als im Pazifik, sagt die Weltbank. Die Inselnatio­nen brauchen Hilfe für riesige Bauprojekt­e. Statt Nothilfe bei Katastroph­en zu leisten, gehöre der Bau von Strandmaue­rn finanziert. Die betroffene­n Länder haben nicht die Mittel, um vorzusorge­n. Australien und Neuseeland, die reichsten Nationen der Region, sollten schrittwei­se die Migration von den Atollen erlauben, meint die Weltbank. Denn „eine Flucht in letzter Minute würde bedeutende Hilfsresso­urcen erfordern und wäre schwierig zu handhaben“.

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BILD: SN/EPA Auch die Ökosysteme im Ozean bleiben nicht unberührt. Das wärmere Wasser löst die Korallenbl­eiche aus, Riffe und ihre Lebensform­en sterben.
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Daniel Kestenholz berichtet für die SN aus der Südsee

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