Salzburger Nachrichten

Ein Biobauer vertritt die Grünen im EU-Parlament

Ulrike Lunaceks Nachfolger im EU-Parlament ist erdverbund­en und hat einen Plan für die Zukunft der Agrarförde­rung.

- MONIKA.GRAF@SN.AT

Den Nachteil von Grenzen innerhalb Europas kennt Thomas Waitz aus eigener Erfahrung. Denn der Hof des Biobauern, Imkers und Forstwirts, der seit 10. November anstelle von Ulrike Lunacek für die Grünen im Europaparl­ament sitzt, liegt zum Teil in der Südsteierm­ark und zum Teil in Slowenien. Bis zur EU-Osterweite­rung 2004 brauchte er für Heu von seinem slowenisch­en Grund eine spezielle Einfuhrgen­ehmigung. Irgendwann überlegte damals ein spitzfindi­ger Beamter, wie jenes Gras juristisch zu beurteilen sei, das die Schafe und Pferde „drüben“fraßen und am Abend im Bauch in die EU importiert­en. Die Frage sei aber zum Glück rasch ad acta gelegt worden, erinnert sich der Neo-Abgeordnet­e beim SNFrühstüc­k im Karsmakers, einem beliebten Café nahe dem Europaparl­ament.

Der 44-Jährige ist kein Polit-Neuling. Aus der Anti-Gentechnik-Bewegung kommend engagiert sich der Vater von drei Kindern und ehemalige Hobbymusik­er und DJ seit 15 Jahren bei den Grünen in seinen Fachgebiet­en Landwirtsc­haft, Lebensmitt­elprodukti­on, Umwelt und Klimaschut­z. Er war der erste Grüne, der je in eine Landwirtsc­haftskamme­r gewählt wurde. Seit 2004 ist er im Vorstand der Europäisch­en Grünen, drei Mal hat er bei EUWahlen kandidiert.

Zwei Plenarsitz­ungen in Straßburg und drei Sitzungswo­chen in Brüssel hat Waitz jetzt hinter sich.

Und er hat einen Plan, was er in seinen eineinhalb Jahren als EU-Abgeordnet­er machen will: Einfluss darauf nehmen, dass Agrarförde­rungen anders verteilt werden. Etwa indem nicht mehr industriel­le Schweinest­älle subvention­iert werden, sondern smarte Projekte wie ein Verkaufsra­um am Bauernhof. Die Zeit für Veränderun­g ist günstig, denn die Reform der EU-Agrarpolit­ik läuft gerade an. „Kein anderer Bereich hat größere Auswirkung­en auf den ländlichen Raum, die Lebensmitt­elprodukti­on, die Umwelt, die Biodiversi­tät, als die EU-Förderpoli­tik“, sagt Waitz. Sie entscheide letztlich darüber, wer noch als Bauer überleben könne. Seinen Hof in Heiligenge­ist bei Leutschach – damals ein typisches Landflucht-Gebiet – hat er 1994 mit seiner früheren Lebensgefä­hrtin gekauft, in der Hoffnung, dass Europa zusammenwä­chst. Waitz ist erfrischen­d undogmatis­ch: „Meine Aufgabe ist es nicht, die Bevölkerun­g zu erziehen, sondern mitzubesti­mmen, was ins Regal kommt, und dafür zu sorgen, dass wir den nachkommen­den Generation­en eine lebenswert­e Umwelt hinterlass­en.“Da sind die großen Forstwirte mit adeligem Hintergrun­d oft seine Verbündete­n. Auch im Europaparl­ament hat er keine großen Berührungs­ängste. Während seiner Zeit als Abgeordnet­er kümmert sich nun seine frühere Lebensgefä­hrtin um den Hof. Dass er sein Mandat hauptberuf­lich ausübt, hält er für seine Pflicht. „Wenn ich jemanden wähle, erwarte ich, dass er oder sie sich voll einbringt“, sagt er.

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SN/MG BILD: Thomas Waitz
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Monika Graf

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