„Es darf auch mal etwas ausgehen“
In keiner Gastronomiebranche wird so viel Essen weggeworfen wie bei den Caterern. Einige Unternehmer wollen nun gegensteuern. Doch die Abkehr von der Lebensmittelverschwendung hat ihre Tücken.
WIEN. Michael Brok erinnert sich lebhaft an die Worte seiner Großmutter: „Sie hat immer gesagt: Essen haut man nicht weg.“Leichter gesagt als getan – vor allem, wenn man, wie Brok, ein großes CateringUnternehmen betreibt. Gerade in dieser Branche sind die „Abfälle“, also das, was nach Veranstaltungen und Festivitäten überbleibt, enorm. Weil Brok es genau wissen wollte, hat er, gemeinsam mit drei Kollegen seiner Zunft, an einer Studie der Plattform United Against Waste teilgenommen, die von der Universität für Bodenkultur (BOKU) wissenschaftlich begleitet wurde. Beratend zur Seite stand Haubenkoch Siegfried Kröpfl.
Das Ergebnis bestätigte die Befürchtungen: Der mittlere Verlustgrad, also das, was in der Mülltonne landet, liegt bei Caterings bei 38 Prozent – und somit weit vor Großküchen (22 Prozent), Hotellerie (21) und Gastronomie (14).
Für Hunderte Menschen mehrgängige Menüs oder Buffets zu zaubern hat für Caterer mehrere Nachteile. Frisch zubereiten geht kaum bis gar nicht, vieles muss fixfertig vorbereitet sein. Und die Platten, Töpfe und Schüsseln dürfen nie leer sein. Das bedeutet: Hinter den Kulissen müssen Caterer jede Menge Nachschub bereithalten. Und da offenbart sich das größte Problem: Denn laut BOKU-Analyse stammen von den 38 Prozent Essensabfällen mehr als die Hälfte (52 Prozent) aus ebendiesem Nachschub.
Doch leere Teller sind nach wie vor ein No-Go. „Derzeit kann man als Catering-Betrieb nur wettbewerbsfähig sein, wenn man seinen Kunden garantiert, dass keine Speisen im Verlauf eines Events ausgehen“, bringt es Haubenkoch Kröpfl auf den Punkt.
Einige der mobilen Verpfleger empfinden dieses Prinzip zunehmend als Unsitte. „Es darf auch mal etwas ausgehen, ohne dass es gleich als Katastrophe gilt“, fordert Christian Chytil von impacts Catering. Kröpfl stößt ins selbe Horn: „Man muss die Auftraggeber darauf aufmerksam machen, dass es sich um Lebensmittel handelt. Es kann nicht immer alles funktionieren.“
Chytil sieht den größten Schwachpunkt in der Kommunikation. Je genauer ein Caterer über die Anzahl der Gäste sowie Zeitplan und Ablauf einer Veranstaltung informiert ist, desto exakter lassen sich die Speisenmengen planen.
Einige Catering-Unternehmen haben sich ohnehin längst mit karitativen Organisationen wie der Wiener Tafel oder dem Roten Kreuz zusammengetan. Andere wiederum schwören auf das „Foodsharing“Netzwerk. Da könne es schon vorkommen, dass gegen Ende einer Veranstaltung plötzlich zusätzliche Gäste am Buffet stehen und mit Tupperware oder Alufolie anrücken. Vor allem in Großstädten funktioniere dieses System der „Selbstabholung“schon sehr gut.
Dass der Caterer am Schluss eines Events auch noch zum Lieferanten wird, ist für Christian Chytil kein Thema: „Die Organisation ist schwierig genug. Man macht sich keine Vorstellung, an was die Verantwortlichen alles denken müssen.“Was hinzukommt: „Wir schaffen es, ein Essen über drei Stunden warm zu halten. Es anschließend auszuliefern entspricht nicht mehr den Hygienevorschriften.“
Für Kröpfl könnten die CateringBetriebe aber auch intern nachbessern: „Durch die Verwendung einheitlicher Rezepturen, die Reduktion von Angebotsvielfalt, Auswertung der Retourwaren oder Kommunikation zwischen Verkauf und Küche könnten bis zu 30 Prozent des Lebensmittelabfalls vermieden werden.“Einsparungspotenzial: 15.000 Euro pro Jahr.
Apropos Kommunikation: Geht es nach dem Haubenkoch, müsste auch der „Jagdtrieb am Buffet“eingedämmt werden. Kleinere Tellergrößen anzubieten sei eine Möglichkeit. Eine andere sei die beruhigende Wirkung der Worte: „Man muss den Leuten sagen: Keine Angst, es ist genug für alle da.“