Wer gespart hat, darf nicht der Dumme sein
Wer lange ohne Arbeit ist, braucht sein Vermögen wohl sowieso auf. Da braucht es nicht noch den Staat dazu.
Eines kann man dieser Regierung nicht vorwerfen: Feigheit. Seit sie im Amt ist, versucht sie mit Vehemenz, ihr Programm umzusetzen, das auch viel Widerspruch auslöst. Der Familienbonus wurde beschlossen, die Kürzung der Kinderbeihilfe für EUAusländer, deren Nachwuchs nicht in Österreich lebt, auf Schiene gebracht. Geringverdiener müssen keine Beiträge mehr zur Arbeitslosenversicherung leisten. Die Aktion 20.000 wurde eingestellt. Alles ging schnell und ohne interne Reibereien über die Bühne.
Bei der Neugestaltung des Arbeitslosengelds sieht es anders aus. ÖVP und FPÖ haben unterschiedliche Vorstellungen. Diskutiert wird, ab wann ein Langzeitarbeitsloser, der Notstandshilfe bezieht, sein Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhalts einsetzen muss. Die FPÖ ist eher dagegen, die ÖVP eher dafür.
Dabei ist diese Debatte eigentlich schon entschieden. Erst vor wenigen Monaten wurde noch von der alten SPÖ-ÖVP-Regierung der Pflegeregress abgeschafft. Also die Bestimmung, dass, wer in einem Altenheim wohnt, neben der Pension und dem Pflegegeld auch sein Erspartes einsetzen muss, um für die anfallenden Kosten aufzukommen. Es könne nicht sein, dass derjenige zahlen muss, der sein Leben lang Geld zurückgelegt hat, während ein anderer, der sein ganzes Einkommen ausgegeben hat, was sein gutes Recht ist, das nicht muss. Das Gegenargument, dass der Staat nicht für Personen zahlen soll, die über Ersparnisse verfügen, wurde damals als nicht so gewichtig angesehen. Wohl auch, weil die Anzahl der wirklich gut betuchten Personen, die in staatlichen Altenheimen sitzen, nicht sehr groß sein dürfte.
Was damals gesagt wurde, kann eins zu eins auf die Bezieher der Notstandshilfe umgelegt werden, hauptsächlich auf ältere Bezieher. Warum soll etwa ein 60-Jähriger, der keine Anstellung mehr findet, seines Bausparvertrags, der privaten Pensionsvorsorge oder schlimmstenfalls seines Eigenheims verlustig gehen? Abgesehen davon, dass bei der Höhe der Notstandshilfe – pro Tag wurden im Jahr 2016 24,60 Euro ausbezahlt – ein Teil des angesparten Vermögens wohl sowieso eingesetzt werden muss, um den gewohnten Lebensstandard einigermaßen aufrechtzuerhalten.
Selbstverständlich sind Sanktionen gerechtfertigt, wenn sich jemand vor angebotener Arbeit drücken will. Das AMS kann ja Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe streichen. Übrigens mit dem Effekt, dass dann sowieso auf das Ersparte zurückgegriffen werden muss, um das Leben zu sichern.