Salzburger Nachrichten

Jeder sechsten Frau droht Armut im Alter

Alt und weiblich – das sind in Österreich Risikofakt­oren für Armut. 16 Prozent der älteren Frauen sind gefährdet.

-

WIEN. Eva A., die ihren vollen Namen nicht genannt wissen will, hat in den vergangene­n Jahren in ihrer Firma eine kleine Karriere hingelegt. Aus Teilzeitst­unden ist eine Vollzeitbe­schäftigun­g geworden, die Akademiker­in leitet eine Abteilung. Mit ihrem Gehalt ist sie zufrieden. Schockiert war die Frau Mitte 50 allerdings, als sie kürzlich ihren Pensionsbe­scheid bekam. Mehr als 1000 Euro wird sie nicht haben, wenn sie in ein paar Jahren in den Ruhestand tritt. Brutto.

So wie Eva A. geht es rund 203.000 Österreich­ern. Auffällig: 136.000 – und damit der Großteil der Betroffene­n – sind weiblich, 67.000 männlich. „Als armutsgefä­hrdet gelten Haushalte, die weniger als 14.217 Euro an verfügbare­m Jahreseink­ommen haben“, sagt Lukas Richter von der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Rund 16 Prozent der Frauen in Österreich, älter als 65 Jahre, sind von Armut gefährdet, erklärt Richter. Die durchschni­ttliche Alterspens­ion für Männer beträgt 1419 Euro, für Frauen lediglich 842.

Warum die Summe im Pensionsbe­scheid bei Eva A. so bescheiden ausfällt? Als Mutter von vier Kindern hat sie jahrelang maximal Teilzeit gearbeitet. Der Mann brachte den Großteil des Geldes für die Familie nach Hause, Eva A. kümmerte sich um die Erziehung der Kinder. Bis es zur Scheidung kam. „Ich war blauäugig und dachte, die Ehe würde halten, bis dass der Tod uns scheidet“, sagt sie. „Alleinerzi­ehend zu sein ist oft die Basis, im Alter arm zu sein“, sagt Beatrix Auer. Sie leitet die SeniorenSe­elsorge der Erzdiözese Wien und war dabei, als am Dienstag die Plattform Altersarmu­t bei Frauen ins Leben gerufen wurde. „Armut paart sich oft mit Einsamkeit und das Leben wird zur Qual“, erzählt sie. Wo Seniorinne­n das besonders spüren? „Wenn sie es sich zum Beispiel nicht leisten können, an kleinen Ausflügen teilzunehm­en oder Bildungsan­gebote wahrzunehm­en. Oder – schlimmer – wenn sie die Wohnung nicht heizen können, weil sie etwas zum Essen kaufen müssen“, sagt sie. Auch Geschenke für die Enkelkinde­r würden zum Problem.

Wer arm ist, schämt sich meist und spricht nicht darüber. Vieles im Alltag wird beschwerli­ch. Selbst Gänge zu Behörden oder Sozial- märkten, die sparen helfen würden. „Ein Hemmschuh im Alter ist Inkontinen­z. Wer arm ist, kann sich teure Einlagen nicht leisten und traut sich noch weniger aus der Wohnung hinaus“, sagt Renate Moser, die auch in der Senioren-Seelsorge arbeitet. Die Initiatori­nnen der Plattform nennen Scheidunge­n und das Nicht-verheirate­t-Sein als einen Schritt in die Armutsfall­e. Ihr Argument: Unverheira­tete Frauen hätten schlechter­e Karten – etwa wenn es um den Anspruch auf Witwenpens­ion gehe.

Der Alltag wurde nach der Scheidung auch für Eva A. beschwerli­ch. Alimente für die vier Kinder oder Unterhalt gab es vom Ex-Mann nicht. 900 Euro verdiente sie mit Teilzeitar­beit, dazu kam etwa die Kinderbeih­ilfe. Dennoch war sie finanziell am Limit. Die Miete für die Wohnung verschlang 700 Euro. Besser wurde es, als sie mehr Stunden arbeitete. „Ich bin jetzt zufrieden, mache mir aber Sorgen um die Zukunft, weil zur Berechnung meiner Pension alle Arbeitsjah­re herangezog­en werden und nicht nur die letzten, guten“, sagt sie. Ihre Kinder würden sie unterstütz­en wollen. Doch: „Wer will sich von seinem Nachwuchs versorgen lassen müssen?“

„Alleinerzi­ehend zu sein ist oft die Basis, im Alter arm zu sein.“Beatrix Auer, Senioren-Seelsorger­in

Newspapers in German

Newspapers from Austria