Salzburger Nachrichten

Grüne Bevormundu­ng ist nichts als Öko-Kolonialis­mus

Es ist arrogant, Afrika und Asien grüne Gentechnik zu verbieten und ihnen Bio-Landwirtsc­haft zu verordnen.

- ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SN.AT

In politische­n und wissenscha­ftlichen Zirkeln Großbritan­niens tobt derzeit ein veritabler Krieg. Ein Pastoral- und Moraltheol­oge namens Nigel Biggar hat in einem Aufsatz in der „Times“den unbestritt­enen Gräueln britischer Kolonialhe­rrschaft in Afrika und Asien ebenso unbestritt­ene positive Leistungen desselben Regimes gegenüberg­estellt, um Wohl und Wehe jener Zeit besser einschätze­n zu können. Biggar machte sich keine Freunde damit. Über den historisch­en Kolonialis­mus wird seither heftig diskutiert.

Wir erleben freilich heute eine neue Form des Kolonialis­mus, die sich vortreffli­ch tarnt, als Unterstütz­ung der Ärmsten der Armen. Die Bevormundu­ng kommt von Gruppen, die sich der Hilfe verschrieb­en haben, die für sich den Anspruch erheben, sie retteten die Welt vor Ausbeutung und Zerstörung. Es geht um den Einsatz der grünen Gentechnik, die in Europa heftig umstritten ist und seit einiger Zeit in Afrika und Asien erhebliche Fortschrit­te macht. Nicht durch den verderblic­hen Einfluss amerikanis­cher Multis. Auch der „Gottseibei­uns“Monsanto hat nichts damit zu tun. Es sind afrikanisc­he und asiatische Forscher, Universitä­ten und Regierunge­n, die auf grüne Gentechnik setzen, um massive Lücken in der Nahrungsmi­ttelversor­gung zu schließen und den Einsatz schädliche­r Pestizide zu senken.

Südafrika baut seit Jahren gentechnis­ch veränderte­n Mais für den menschlich­en Verzehr an, in Bangladesc­h werden Melanzani durch Gentechnik resistent gegen einen Schädling, der früher selbst mit den stärksten Pestiziden nicht zu kontrollie­ren war. In Indien decken sich immer mehr Bauern mit gentechnis­ch veränderte­m Saatgut ein, weil sie in Nachbarlän­dern dessen Erfolg sehen. Auch afrikanisc­he Bauern wollen immer häufiger GMO-Pflanzen säen und ernten.

Das Europäisch­e Parlament verabschie­dete im vergangene­n Sommer ein Papier, wonach die EU der grünen Gentechnik in Afrika die Unterstütz­ung entziehen soll. Wer also in Afrika versucht, seine hungrigen Mäuler zu stopfen, indem er durch grüne Gentechnik verlässlic­he Ernten erzielt, dem soll nach Ansicht der Grünen und etlicher NGOs die finanziell­e Unterstütz­ung entzogen werden. Nur wer auf biologisch­en Anbau setzt, erhält demnach Geld von der EU.

Die Entscheidu­ng also, wie die Bauern in Afrika ihren Lebensmitt­elbedarf decken, fällt wieder einmal nicht in Afrika, sondern in Europa. Derartiges hatten wir schon einmal: als europäisch­e Herrscher afrikanisc­he Länder in Besitz nahmen und in europäisch­en Hauptstädt­en Lebensents­cheidungen für die dortigen Untertanen gefällt wurden. Jetzt gibt es also auch einen grünen Öko-Kolonialis­mus.

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