Salzburger Nachrichten

May ernennt Minister für Einsamkeit

Großbritan­nien ernennt eine Ministerin für Einsamkeit. Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat das Ressort gegründet, nachdem eine Studie alarmieren­de Zustände offenbart hat.

- Katrin Pribyl berichtet für die SN aus Großbritan­nien

Die britische Regierungs­chefin Theresa May hat ein Ministeriu­m für Einsamkeit geschaffen. Die Isolation vieler Menschen ist zu einem großen Problem geworden. Eine Studie offenbarte alarmieren­de Zustände.

Es gab Zeiten, da pries das Vereinigte Königreich die „splendid isolation“, die „wunderbare Isolation“aufgrund der Insellage, die allein schon deshalb zu einer Sonderstel­lung in Europa geführt hat. Das aber war im 19. Jahrhunder­t, und auch wenn nach dem Brexit-Votum häufig auf den Begriff aus der Vergangenh­eit zurückgegr­iffen wurde, stellt Isolation mittlerwei­le ein großes Problem für Großbritan­nien dar. Ein Bericht des Roten Kreuzes enthüllte, dass sich von knapp 66 Millionen Briten mehr als neun Millionen Menschen oft oder immer einsam fühlen.

Die Ergebnisse sind so alarmieren­d, dass sich nun die Politik einschalte­t. Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat diese Woche eine Ministerin für Einsamkeit ernannt, um sich der „traurigen Realität des modernen Lebens“anzunehmen.

Künftig soll Tracey Crouch, Staatssekr­etärin für Sport und Ziviles, unter anderem mithilfe von parteiüber­greifenden Projekten der zunehmende­n Vereinsamu­ng von wachsenden Teilen der Bevölkerun­g entgegenwi­rken.

Die Gründung des Ressorts sei Teil einer breit aufgestell­ten Strategie, deren Details im Laufe des Jahres vorgestell­t würden, sagte May. Sie soll lokale sowie nationale Behörden, öffentlich­e Einrichtun­gen, Freiwillig­e und Unternehme­n miteinbezi­ehen. Juniormini­sterin Crouch wird den Aufgabenbe­reich zusätzlich übernehmen. Theresa May sprach von einer „Herausford­erung für unsere Gesellscha­ft und für alle von uns, Maßnahmen zu ergreifen“. Es gehe vor allem um Senioren, pflegende Angehörige sowie Menschen, die um den Verlust eines ihnen nahestehen­den Menschen trauern – „Menschen, die niemanden haben, mit dem sie reden oder ihre Gedanken und Erfahrunge­n teilen können“. Damit folgt die Regierungs­chefin der Empfehlung eines Komitees, das im Gedenken an die 2016 ermordete Labour-Abgeordnet­e Jo Cox gegen das gesellscha­ftliche Problem ankämpft. Die 41 Jahre alte Parlamenta­rierin war kurz vor dem EU-Referendum im nordenglis­chen Birstall von einem rechtsextr­emen Briten auf offener Straße getötet worden und hatte in jüngeren Jahren selbst Erfahrunge­n mit dem Gefühl der Einsamkeit gemacht.

„Es ist bewiesen, dass Einsamkeit schlimmer für die Gesundheit ist, als 15 Zigaretten am Tag zu rauchen“, sagt Mark Robinson, Vorsitzend­er von „Age UK“, der größten Wohltätigk­eitsorgani­sation im Königreich, die ich sich um ältere Menschen kümmert. Gleichwohl könnte Einsamkeit überwunden werden und müsse keine unabänderl­iche Gegebenhei­t im Leben älterer Menschen sein. Bleibt dagegen das Einsamkeit­sempfinden, kann das laut Robinson sogar die Lebenserwa­rtung reduzieren.

Der Bericht des Roten Kreuzes enthüllte zudem, dass rund 200.000 Senioren in Großbritan­nien für mehr als einen Monat kein Gespräch mit einem Freund oder Verwandten mehr geführt haben. Das Problem sei „generation­enübergrei­fend“, betonte Tracey Crouch, die neue Leiterin des Ressorts.

So fühlten sich auch bis zu 85 Prozent aller junger Menschen mit Behinderun­g einsam. Das Rote Kreuz beschrieb Isolation und Einsamkeit als „Epidemie im Verborgene­n“, die Menschen aller Altersstuf­en und in unterschie­dlichsten Lebensphas­en treffen könne, wie beispielsw­eise beim Pensionsan­tritt, bei Trauerfäll­en oder nach Trennungen.

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 ?? BILD: SN/FOTOLIA ?? Einsamkeit ist eine „Epidemie im Verborgene­n“und in Großbritan­nien offenbar besonders ausgeprägt.
BILD: SN/FOTOLIA Einsamkeit ist eine „Epidemie im Verborgene­n“und in Großbritan­nien offenbar besonders ausgeprägt.
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