Seelische Zwänge einer Kommissarin
Wie die junge Ermittlerin Heller Tiefschläge wegsteckt und den Abschied von ihrem langjährigen Kollegen verarbeitet.
SALZBURG. Es kündigt sich ein neuer Trend im Kriminalgenre an: Nachdem „Kopper“(Andreas Hoppe) in seinem letzten „Tatort“-Fall zu Beginn einen Mafioso per Notwehr ins Jenseits beförderte, widerfährt Kommissarin Heller (Lisa Wagner) nun dasselbe. Gleich in der ersten Szene ihres achten Falls kann sie einen mit Rauschgift zugedröhnten 19-jährigen Entführer nur mit einer Kugel an einem Mord hindern. Die TV-Kommissare sorgen also inzwischen schon selbst für die Leichen ihrer eigenen Fälle.
Bei Winnie Heller folgt allerdings ein zweites Verbrechen auf dem Fuße, dessen Aufklärung ihr zusätzlich aufgehalst wird: Die Psychiaterin (Lena Stolze), die Winnies Eigentümeleien und den tief verankerten Widerspruchsgeist austreiben soll, ruft sie telefonisch um Hilfe: Sie glaubt, einer ihrer Patienten könnte einen Mord begehen. Wenig später, noch ehe Winnie eintrifft, liegt die Psychiaterin selbst schwer verletzt in ihrem Blut.
Regisseurin Christiane Balthasar spielt gekonnt und mit Eleganz mit einer dritten Handlungsebene, die Heller Gelegenheit gibt, den Abgang ihres früheren Kollegen Verhoeven (Hans-Jochen Wagner) zu verarbeiten. Immer wieder taucht Verhoeven in Visionen auf. Es entspannen sich für den Zuschauer aufschlussreiche Dialoge: „Haben sie schon einen Nachfolger gefunden“, fragt Verhoeven. „Nein, sie finden keinen, der Ihnen das Wasser reichen kann.“Er, schlagfertig: „Sie meinen, sie finden keinen, der mit Ihnen arbeiten möchte.“
Wenn Frauen Probleme haben und wie sie diese lösen können, davon erzählt der jüngste Fall der „Kommissarin Heller“fast nebenbei. Neben Winnie Hellers Schwierigkeiten wird auch eine Mutter gezeigt, die sich ihres gewalttätigen, alkoholkranken Ex-Manns erwehren muss und ihren Sohn dabei um jeden Preis beschützen will. Der Mann steht auch auf Hellers Liste der Verdächtigen.
Für die ohnehin labile, aber gar nicht sensible Winnie Heller bedeutet ihr Todesschuss ein seelisches Desaster, aus dem sie sich nicht recht befreien kann. Die von Lisa Wagner so herrlich schräg interpretierte Polizistin ist richtig widerborstig und stolz darauf, keinen Freund zu haben. Dabei bräuchte sie gerade jetzt Hilfe und Beistand.
Die neuen, im Verlauf der Handlung immer länger werdenden Haare lassen ihre Figur zwar älter und nicht mehr so burschikos-keck wie früher erscheinen. Die Frisur steht ihr allerdings nicht und kostet sie das optische Alleinstellungsmerkmal.
Die Handlung ist düster, die Ermittlerin verzagt: Wer hat „ihre“Psychologin mit dem Messer schwer verletzt? Es gibt zwei Verdächtige, die Spannung ist groß, was an der dichtgepackten Inszenierung und den fabelhaften Schauspielern liegt. Auch Katrin Pollitt, die wir als detektivische Raumpflegerin aus der Anwaltsserie „Die Kanzlei“kennen, hat ihren dynamischen Auftritt als Mutter des 19-Jährigen, den Heller zu Beginn erschossen hat.
Fazit: ein Klasse-Krimi. Und Lisa Wagners Dialogmitarbeit wird im Abspann gewürdigt.