Demos stärken die Demokratie
Die Angelobung der ersten schwarz-blauen Bundesregierung im Jahr 2000 ist eine meiner ersten politischen Erinnerungen. Vermutlich deshalb, weil meine Eltern damals eigens von Salzburg nach Wien gefahren sind, um mit 150.000 anderen ihren Protest an einer Regierungsbeteiligung der FPÖ auszudrücken. Und an einer ÖVP, die dies ermöglicht hat.
17 Jahre später wiederholt sich die Geschichte, die Aufregung bleibt aus. In Ungarn regiert Orbán autoritär, in Frankreich kam Le Pen in die Stichwahl, in Polen schafft die Regierungspartei PiS den Rechtsstaat ab. Da kann Österreich scheinbar froh und zufrieden sein, dass vor Weihnachten eine stabile Regierung gebildet wurde. Auch Andreas Koller, der stellvertretende Chefredakteur der SN, empfiehlt in der Ausgabe vom 13. 1. 2018: Lieber nicht demonstrieren und damit den Verkehr und Einzelhandel blockieren, das helfe nur der Regierung. Auch eine mediale Ablehnung gegenüber den Vorhaben der Regierung sei kontraproduktiv.
Mittlerweile wohne ich ihn Wien und bin trotz Kol- lers Empfehlung dem Aufruf der Veranstalter der ersten großen Demonstration 2018 gegen diese neue Regierung gefolgt. In einer Zeit, in der der Vizekanzler Österreichs meint, „hätten wir die absolute Mehrheit, dann könnten wir es wie der Orbán machen“, und der Innenminister von der Konzentration von Menschen in Unterkünften spricht, ist Untätigkeit für mich keine Option. Vor allem, wenn sich in der ÖVP scheinbar niemand mehr findet, der an solchen Aussagen etwas Verwerfliches findet. Und so ging es am vergangenen Samstag vielen Familien mit Kindern, Pensionisten, Studierenden und Menschen, die sich in Österreich eine neue Existenz aufgebaut haben.
In diversen Onlineforen von Tageszeitungen und auf Facebook überwiegt jedoch die Meinung, die Demonstrierenden würden eine demokratisch legitimierte Regierung nicht anerkennen. Und die Verkehrsbehinderung sei unzumutbar. Demonstrationen werden scheinbar zunehmend als Ärgernis betrachtet, nicht als die Wahrnehmung eines demokratischen Grundrechts. Dies unterstreicht, wie wichtig solche Protestzüge sind. Politische Untätigkeit – wie von Herrn Koller empfohlen – ist natürlich auch eine Strategie. Mir ist nur nicht klar, wie dies die Demokratie stärken soll. Jakob Eder, 1180 Wien