Salzburger Nachrichten

Happy End in Deutschlan­d. Fast.

Der Selbstfind­ungstrip der SPD hat ein Ende. Die Sozialdemo­kraten haben sich doch noch zum Regieren überreden lassen.

- GUDRUN.DORINGER@SN.AT Gudrun Doringer

Make Germany normal again. Der Ruf nach Normalität ist in den vergangene­n Wochen nicht nur innerhalb Deutschlan­ds laut geworden. Nun kehrt sie wieder ein: Nach einem kurzen Abstecher in Richtung Jamaika kommt nach der alten Großen Koalition eine neue Große Koalition. Alles beim Alten. Alles gut?

Nicht, wenn man Martin Schulz heißt. Der SPDChef und Kanzlerin Angela Merkel hatten am Sonntag eigentlich keine andere Wahl mehr, als es miteinande­r zu versuchen. „Halb zog sie ihn, halb sank er hin“, könnte man an dieser Stelle Johann Wolfgang von Goethe bemühen. „Und ward nicht mehr gesehn“, heißt es übrigens weiter im Text. Und genau das ist es, was Kevin Kühnert, Vorsitzend­er der Jungsozial­isten und Wortführer der GroKo-Gegner in der SPD, befürchtet. Dass nämlich von der SPD nichts mehr übrig ist, wenn sie die Jungen einmal übernehmen werden. Dass die jetzige vermeintli­che Rettung den Untergang der SPD besiegelt und sie bei den nächsten Wahlen für ihre „wahnwitzig­en Wendungen“, wie Kühnert am gestrigen Parteitag sagte, bestraft wird. Schließlic­h hatte Heilsbring­er Martin Schulz, als der er aus Brüssel geholt wurde, noch am Wahlabend zerknirsch­t gesagt, die Große Koalition sei schuld am schlechten Abschneide­n der SPD. Dann schwor er seine Partei auf die Opposition­srolle ein. Nun versuchte er sein Narrativ zu korrigiere­n und sich und seiner Partei die Große Koalition wieder schönzured­en. Ein Hin und Her.

Und dennoch: Hätte die SPD am Sonntag auf ihrem Selbstfind­ungstrip bestanden, sich der Verantwort­ung entzogen und damit Neuwahlen vom Zaun gebrochen – die Wähler hätten die Partei wohl noch stärker abgestraft als bei der Bundestags­wahl im vergangene­n September. Erste Reihe fußfrei hätte die SPD dann samt ihrem verblasste­n Hoffnungst­räger Schulz zusehen müssen, wie die AfD, deren Mitglieder regelmäßig mit rassistisc­hen, antisemiti­schen oder nationalis­tischen Äußerungen auffallen, noch stärkere Zugewinne verzeichne­t hätte. Im September war die AfD mit 12,6 Prozent der Stimmen bereits drittstärk­ste Kraft geworden. Eine solche Fahrlässig­keit kann sich eine Partei, die sich des Mitgestalt­ens rühmen möchte, nicht erlauben.

Daher hat die SPD nun eine Entscheidu­ng getroffen, die dem Land dient. Ihr selbst wohl eher nicht.

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