Salzburger Nachrichten

Der Konsum kommt uns in die Quere

Menschen wollen Wohlstand. Die ihn haben, wollen ihn nicht mehr missen. Und die, die ihn nicht haben, wollen ihn mit allen Mitteln erreichen. Menschlich verständli­ch. Der damit verbundene Konsum ist aber schlecht fürs Klima.

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POTSDAM. Macht die Menschheit so weiter wie bisher und versucht Wohlstand anzuhäufen, wird es Ende des Jahrhunder­ts auf der Erde im Schnitt um vier Grad wärmer sein. Hitzewelle­n, Dürren und enorme Ernteverlu­ste sind nur ein paar Veränderun­gen. Inselstaat­en und Millionens­tädte an den Küsten werden untergegan­gen sein, weil sich die Meere ausgedehnt haben.

„Wenn wir tatsächlic­h die Erwärmung auf zwei Grad begrenzen wollen, was ja auch das erklärte Ziel der Staatengem­einschaft ist, dann müssen spätestens ab 2020 weltweit die Emissionen fallen, sonst hat man kaum noch Chancen, das Ziel zu erreichen. Und es wird auf jeden Fall sehr viel teurer – weil man extrem rasch die Emissionen mindern müsste“, sagt Klimaforsc­her Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolge­nforschung (PIK).

Seine Kollegen im PIK haben jetzt verschiede­ne Szenarien durchgerec­hnet, wie man Emissionen weltweit senken könnte. Prinzipiel­l sind Maßnahmen zur Eindämmung des Temperatur­anstiegs auf der Erde und die Schaffung von mehr Frieden und Wohlstand für die Menschen kein Widerspruc­h.

Beispiel Großstadt: Die Umstellung auf alternativ­e Energien aus Sonne, Wind oder Erdwärme, Fassadendä­mmung und Stadtbegrü­nung sind alles Maßnahmen, die gut für das Klima sind. Sie schaffen aber auch mehr Lebensqual­ität für die Menschen, die in „nachhaltig­en“Großstädte­n wohnen. So gibt es eine Reihe von Beispielen, wo Klimaschut­z und Wohlstand einander nicht ausschließ­en. Wenn da nicht etwas wäre, was den Forschern bei allen diesen schönen Rechnungen einen Strich durch macht: der westliche Konsum.

Heutiger Konsum ist eng mit dem Wohlstand nach westlichen Vorstellun­gen verknüpft. Hier liegt der Schwerpunk­t eher auf der materielle­n Seite als auf einer immateriel­len wie Gesundheit oder Glück.

Ein Beispiel ist die Lebensmitt­elverschwe­ndung. Gemüse, Obst, Brot: Ungefähr 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmitt­el landen weltweit jedes Jahr im Müll. Für ihre Herstellun­g wurden Arbeitskra­ft, Energie, Dünger und Pestizide eingesetzt – und völlig unnötig das Klima belastet. Auch unsere Begeisteru­ng fürs Shoppen, ein denkbar harmloser Zeitvertre­ib, hat leider weitreiche­nde Auswirkung­en. Zum Beispiel in dieser Hinsicht: Inzwischen enthalten laut Greenpeace 60 Prozent der Kleidung weltweit Polyester.

Die billige Kunstfaser ist der große Treiber der sogenannte­n FastFashio­n-Industrie. Die winzigen Plastiktei­lchen sind aber ein Desaster für den Kreislauf der Ozeane. Allein eine einzige Fleecejack­e kann bis zu einer Million Plastikfas­ern pro Waschgang freisetzen, die irgendwann unweigerli­ch im Meer landen. Dort schlucken Fischlarve­n, Pfeilwürme­r oder Krebstierc­hen die Plastikpar­tikel. Das Material wird in der Nahrungske­tte weitergege­ben und landet wieder auf unseren Tellern. Und gelangt zuletzt in unseren Blutkreisl­auf.

Laut einer aktuellen Studie der norwegisch­en University of Science and Technology sind Kaufentsch­eidungen westlicher Konsumente­n für 60 Prozent des globalen Treibhausg­as-Ausstoßes sowie 80 Prozent des Wasserverb­rauchs verantwort­lich.

Wie müssten also die Konsumgüte­r der Zukunft beschaffen sein, damit die Welt heute nicht auf Kosten zukünftige­r Generation­en lebt? Kaum vorstellba­r ist es, dass das hohe Konsumnive­au der wohlhabend­en Industriel­änder auf die gesamte Welt übertragba­r ist. Moralisch zweifelhaf­t wäre aber auch der Versuch, jene Länder, die keinen westlichen Lebensstil haben, ihn aber verständli­cherweise anstreben, daran zu hindern, ebenfalls im Überfluss zu leben wie der Westen.

Es wäre auch zynisch, zu behaupten, am Klimawande­l sei „die Menschheit“schuld. Eine aktuelle Studie der internatio­nalen Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam zeigt sehr deutlich, dass die zehn reichsten Prozent der Menschheit 49 Prozent des Kohlendiox­idausstoße­s verursache­n.

Einer der Auswege sei die Nachhaltig­keit, meinen die PIK-Forscher. Denn prinzipiel­l, so kommen sie in ihrer Studie zu dem Schluss, seien etwa die Beseitigun­g der Armut und Maßnahmen zum Klimaschut­z durchaus miteinande­r vereinbar. Man sollte also stark auf die günstige Wechselwir­kung von Maßnahmen zur Rettung des Planeten und Maßnahmen zur Förderung von Wohlstand und Gesundheit setzen.

Beispiel: Der Einsatz von alternativ­en Energien etwa schaffe gleichzeit­ig gesunde Arbeitsplä­tze. Auch die Wirtschaft­skraft kann man in ärmeren Ländern durchaus steigern und gleichzeit­ig auf das Klima achten. Mit einem nachhaltig­en Konzept, in dem man auf genau die regionalen Stärken dieser Länder setzt. Das gilt übrigens nicht nur für arme Länder, sondern auch für die Produktion von Gütern in den reichen Ländern.

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