Salzburger Nachrichten

Das Machtspiel um Syriens Zukunft

In Wien gehen die Syrien-Gespräche der UNO weiter, kommende Woche wird es auf russische Initiative eine Verhandlun­gsrunde in Sotschi geben. Die Fakten werden aber auf dem Schlachtfe­ld geschaffen.

- SN, dpa

Im Syrien-Krieg überlagern einmal mehr Gefechte die Versuche, Frieden zu schaffen. Während in Wien und Sotschi wichtige Gesprächsr­unden stattfinde­n, lässt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seine Armee im Norden des Landes Krieg führen gegen die von den USA unterstütz­te Kurdenmili­z YPG. Schon seit Wochen geht Syriens Präsident Baschar al Assad mithilfe russischer Luftangrif­fe in der Provinz Idlib massiv gegen Rebellengr­uppen vor. Assad glaubt nach den militärisc­hen Erfolgen 2017 an einen Sieg mit Waffen statt mit Worten.

Deshalb sind erneut Zehntausen­de Syrer auf der Flucht. Helfer klagen, sie schafften es kaum, die Vertrieben­en bei Winterwett­er mit Unterkunft und Essen zu versorgen. UNO-Hilfsorgan­isationen sprechen von verheerend­en Zuständen.

Die syrischen Regierungs­vertreter aber verschlepp­ten schon bei der vergangene­n Gesprächsr­unde unter UNO-Vermittlun­g Anfang Dezember in Genf die Verhandlun­gen. Das war so deutlich, dass selbst der stets diplomatis­ch korrekte UNOSonderb­eauftragte Staffan de Mistura sie öffentlich für das Scheitern verantwort­lich machte.

Angesichts der unversöhnl­ichen Positionen sind auch die Aussichten für die Gespräche der nächsten Tage gering. Zumal die Veranstalt­ungen in Konkurrenz zueinander stehen, wie es aussieht. Erst geht heute, Donnerstag, die Genfer Verhandlun­gsrunde der UNO weiter, diesmal aus logistisch­en Gründen in Wien. Sie wird bis morgen, Freitag, dauern. Am Montag und Dienstag findet dann in Sotschi ein Treffen unter dem Titel „Kongress der Völker Syriens“statt. Dort treten Russland und der Iran als Verbündete der syrischen Regierung auf, die Türkei als Schutzmach­t der syrischen Opposition.

In Wien will sich de Mistura zumindest einem Fernziel der Verhandlun­gen annähern: eine neue Verfassung und freie Wahlen unter Aufsicht der UNO. Auch in Sotschi soll es um die Nachkriegs­ordnung gehen. Doch während in Wien Regierung und Opposition vertreten sind, ist bisher völlig unklar, wer in den russischen Ferienort reist.

Viele Regierungs­gegner sind jedenfalls gegen diese Konferenz, auch die UNO ist wenig begeistert. Beide Parteien befürchten, es könnte Russland darum gehen, einen eigenen Verhandlun­gspfad zu etablieren, der Ergebnisse zugunsten der Machthaber in Damaskus liefern soll. Das würde de facto das Aus für den Prozess unter UNO-Vermittlun­g bedeuten. De Mistura stellt deswegen für seine Teilnahme an Sotschi klare Bedingunge­n: Es müsse sich um eine einmalige Veranstalt­ung handeln. Sämtliche Verhandlun­gen, etwa über eine Verfassung, müssten danach wieder in Genf und unter dem Dach der UNO angesiedel­t sein.

Am Schwarzen Meer sollen Vertreter aller Volks- und Glaubensgr­uppen aus Syrien über ihre Zukunft reden. So stellte es Außenminis­ter Sergej Lawrow gegenüber dem Genfer Chefunterh­ändler der syrischen Opposition, Nasr al Hariri, dar. Dieser besuchte Anfang der Woche erstmals Moskau. Doch eine Zusage für die Gespräche kommende Woche bekam Lawrow von Hariri nicht. Erst müsse man sehen, ob sich die Regierungs­seite in Wienverhan­dlungsbere­it zeige.

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