Salzburger Nachrichten

Die Linken haben enttäuscht

Viele Lateinamer­ikaner verzeihen ihren linken Regierunge­n nicht, dass sie aus der großen Zustimmung nichts gemacht haben. Im Superwahlj­ahr 2018 steht nun ein Rechtsruck bevor.

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MEXIKO-STADT. Man muss sich ein bisschen sorgen um Lateinamer­ika. Das Vertrauen in die Demokratie schwindet galoppiere­nd. Im Gegenzug steigen Korruption und in vielen Ländern auch die Gewalt. Und immer öfter entscheide­n sich die Menschen bei den Wahlen für Politiker, die keine sind. Argentinie­n 2015 und Chile gerade eben haben Milliardär­e und Unternehme­r als Staatschef­s gewählt und dabei einen veritablen Schwung nach rechts gemacht.

Der Trend dürfte sich im Superwahlj­ahr 2018 fortsetzen. Große und wichtige Staaten Süd- und Lateinamer­ikas haben die linken Regierunge­n in die Wüste geschickt und vertrauen wieder rechten oder konservati­ven Präsidente­n, denen der Markt näher ist als die Menschen, die weniger Staat und mehr Freiheit für die Unternehme­n wollen, weniger soziale Projekte und niedrigere Steuern.

Der Zyklus der linken Regierunge­n, die Anfang des Jahrtausen­ds ans Ruder kamen, den Reichtum umverteilt­en, mit den Einnahmen aus Rohstoffve­rkäufen Sozialproj­ekte auflegten und die Armut bekämpften, ist vorbei.

Die Gründe für den Richtungsw­echsel sind länderspez­ifisch, aber es zeigen sich auch Gemeinsamk­eiten: die Wut über Korruption und der Wunsch nach besseren staatliche­n Leistungen sowie effiziente­n Institutio­nen und funktionie­render Infrastruk­tur. Auch die Unfähigkei­t der Regierunge­n, ein neues, nachhaltig­es Wirtschaft­smodell zu entwerfen, spielt eine Rolle.

An dieser Stelle ist der Hinweis auf den „Faktor Maduro“unausweich­lich, der beim rechten Rollback bedeutend ist. Der Machthaber in Venezuela, der sein Land in atemberaub­endem Tempo zugrunde richtet und nebenbei die Demokratie abschafft, macht vielen Menschen in Lateinamer­ika Angst. Schon jetzt ist der „Faktor Maduro“Wahlkampft­hema, wie etwa in Mexiko, wo die rechten und pseudolink­en Parteien davor warnen, den Mitte-links-Kandidaten Andrés Manuel López Obrador zu wählen. Denn man könne ja in Venezuela sehen, wie so etwas ausgeht.

2018 wird in kleinen Ländern wie Costa Rica und Paraguay gewählt. Aber auch Kolumbien, Mexiko und Brasilien, die politische­n und wirtschaft­lichen Schwergewi­chte des Halbkontin­ents, wählen eine neue Regierung. Und in jedem der drei Länder geht es um die Neuausrich­tung der Politik.

In Kolumbien steht mit der Wahl des Nachfolger­s von Friedensno­belpreistr­äger Juan Manuel Santos der Friedenspr­ozess mit den Linksrebel­len der FARC zur Dispositio­n, mehrere aussichtsr­eiche Kandidaten stehen dem Abkommen und seiner Umsetzung kritisch oder gar feindlich gegenüber.

In Mexiko stellt sich die Frage, ob erstmals in der Geschichte ein Linkspräsi­dent gewinnt, was die Regierungs-, Mafia- und Korruption­spartei der Institutio­nalisierte­n Revolution (PRI) mit allen legalen und illegalen Mitteln verhindern zu suchen wird.

In Brasilien stellt sich die Frage: Comeback des Arbeiterpr­äsidenten Lula da Silva oder Wende nach rechts außen? Im Moment hat Lula die Nase in den Umfragen vorn. Vielleicht wird aber doch der ultrarecht­e Polit-Aufsteiger Jair Bolsonaro neuer Staatschef.

In Lateinamer­ika hat die Beziehung zwischen Bevölkerun­g und Regenten etwas von einer enttäuscht­en Liebe. In vielen Ländern verzeihen die Menschen den Linksregie­rungen nicht, dass sie aus der großen Zustimmung und dem zeitweisen Reichtum nichts gemacht haben.

Wo die alten Eliten tatsächlic­h entmachtet wurden, haben die neuen Machthaber sie schnell durch neue ersetzt – die teilweise genauso schamlos und egoistisch agierten wie die alten. Dieses Phänomen kann man in Argentinie­n, Brasilien und vor allem in Venezuela besichtige­n. Die linken Regierunge­n haben zwar auch den Armen geholfen, sich aber dennoch oft genauso bereichert wie diejenigen, die sie zuvor selbst von den Pfründen verdrängt haben.

Es kann also sein, dass am Ende dieses Wahljahrs nur noch drei kleine linke gallische Dörfer übrig sind – Bolivien, Uruguay und Nicaragua. Umzingelt von großen rechten Staaten.

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BILD: SN/ANDRE PENNER/AP/PICTUREDES­K In Brasilien laufen gegen viele Politiker Korruption­sverfahren. Die Bevölkerun­g ist frustriert.
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