Venezuelas Staatschef tritt die Flucht nach vorn an
Nicolás Maduro will die Schwäche der Opposition ausnutzen und verlegt die Präsidentenwahl vor.
CARACAS. Eigentlich sollte die Präsidentenwahl in Venezuela Ende des Jahres stattfinden, nun will Staatschef Nicolás Maduro sie noch vor April über die Bühne bringen. Bei mehreren lateinamerikanischen Staaten und der Opposition stößt das auf Kritik.
Die Opposition zürnt, weil sie sich überrumpelt fühlt. Teile des Bündnisses MUD (Tisch der Demokratischen Einheit) verhandeln derzeit unter internationaler Vermittlung in der Dominikanischen Republik mit der Maduro-Regierung über einen Ausweg aus der jahrelangen Krise. Diese Gespräche dürften spätestens jetzt gescheitert sein. Ex-Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles schrieb auf Twitter verbittert: „Die einzige Wahrheit ist, dass diese Regierung und ihre Führung von der großen Mehrheit der Venezolaner verabscheut wird.“
Mehrere lateinamerikanische Länder forderten „transparente und glaubhafte“Wahlen und einen Termin, auf den sich alle Parteien einigen, damit genügend Zeit zur Vorbereitung bleibt.
Inmitten der schwersten Versorgungskrise mit Hyperinflation tritt Maduro, der erneut für das Regierungslager Kandidat sein wird, mit der Entscheidung die Flucht nach vorn an. International will die Regierung sich einen demokratischen Anstrich geben. Nach innen versucht der Staatschef, die wachsende Zahl seiner Kritiker innerhalb des Regierungslagers kaltzustellen.
Zudem nutzt er die Gunst der Stunde. Das Oppositionsbündnis MUD ist in mindestens drei Lager gespalten, den bekanntesten Kandidaten wie Capriles ist das passive Wahlrecht entzogen worden oder sie sitzen wie Leopoldo López in Hausarrest. Internationale Beobachter vermuten, dass die Opposition mit mehreren Kandidaten ins Rennen gehen könnte.
Maduro hat in seinem Land in den vergangenen drei Jahren massiv an Unterstützung verloren, verfügt aber noch immer über eine Kernwählerschaft von rund 20 Prozent. Das sind neben Günstlingen des Systems vor allem die Armen, denen die Regierung Lebensmittelpakete, Geld und Gelegenheitsjobs zukommen lässt. Vor allem bei der Verteilung der subventionierten Lebensmittelpakete mit Namen Cap müssen die Empfänger nachweisen, dass sie die Regierung unterstützen. Insgesamt sind die Venezolaner sowohl von der Opposition als auch von der Regierung enttäuscht. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datincorp vor der Wahlvorverlegung schnitt mit Blick auf die Präsidentenwahl der Oppositionskandidat López am schlechtesten ab. Der Politiker der Partei Voluntad Popular würde demnach gerade einmal neun Prozent der Stimmen bekommen. Amtsinhaber Maduro erhielt 19 Prozent. Aber beste Chancen, gewählt zu werden, hat laut Datincorp jemand, der bisher gar nicht Präsident werden will: Lorenzo Mendoza. Er ist Chef und Eigentümer des Nahrungsmittelunternehmens Polar, das vor allem das Mehl für die Maisfladen „Areas“herstellt, die Leibspeise der Venezolaner.