Österreich feiert Einem
Vor 100 Jahren wurde der Komponist Gottfried von Einem geboren, der in Salzburg seine Weltkarriere startete.
Streitbar und liebesbedürftig
Es muss schon ein großer Anlass sein, dass die beiden Operndirektoren erstmals gemeinsam zur Pressekonferenz bitten: Dominique Meyer, Staatsoperndirektor, und Roland Geyer, Intendant des Theaters an der Wien, wollen den 100. Geburtstag des Komponisten Gottfried von Einem angemessen feiern. Im Theater an der Wien kommt Einems „Besuch der alten Dame“in einer von Keith Warner inszenierten Neuproduktion heraus, in der Wiener Staatsoper wird „Dantons Tod“in der Inszenierung von Josef Köpplinger zur Premiere gebracht, was auch Sinn ergibt. Nicht nur, weil Dominique Meyer ein Franzose ist, „Dantons Tod“war bei der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen 1947 der Start von Gottfried von Einems Weltkarriere und wurde im selben Jahr von der Wiener Staatsoper an der Spielstätte Theater an der Wien übernommen.
Und in der Staatsoper waren bisher 81 Opernabende von Einem gewidmet, samt den Balletten gab es insgesamt 150 Aufführungen des österreichischen „Componisten“, wie sich Gottfried von Einem gern bezeichnete. Das Werk des 1996 in Oberdürnbach in Niederösterreich verstorbenen Komponisten ist eher von den Spielplänen der Opernund Konzerthäuser verschwunden, während von Einem noch in seinen letzten Jahren für Furore und Aufregung sorgte. Dass seine Witwe Lotte Ingrisch bei der Pressekonferenz ebenso anwesend war wie der Komponistensohn (aus erster Ehe) Caspar Einem, ehemaliger Innen- und Wissenschaftsminister, ergab Sinn. Was war das für eine Aufregung, als Einems Oper „Jesu Hochzeit“nach dem Libretto von Lotte Ingrisch 1980 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde. Kardinal König und 700 Religionslehrer hatten im Vorfeld Protest eingelegt. Damals war Einem so etwas wie ein Staatskünstler, zum UNO-Jubiläum wurde im Auftrag des damaligen österreichischen UNO-Generalsekretärs Kurt Waldheim 1975 die Kantate „An die Nachgeborenen“in New York und Wien aufgeführt.
Dass Gottfried von Einem seine 1995 erschienene Autobiografie „Ich hab’ unendlich viel erlebt“betitelte, lässt sich nachvollziehen, befasst man sich mit dem wechselvollen Leben des 1918 in Bern als zweiter von drei Söhnen des österreichischen Militärattachés William von Einem geborenen Mannes. Erst viel später erfuhr Einem, dass sein leiblicher Vater ein ungarischer Graf war. Die Mutter wiederum, Gerta Louise aus dem Hause der Barone Rieß von Scheurnschloß, war eine schillernde Figur, die wie der Vater nur wenige Wochen pro Jahr zu Hause war, wo die Kinder unter Obhut einer Schar von Bediensteten aufwuchsen. Die Abwesenheit der geliebten Eltern habe Einem sehr beeinflusst, sagt zumindest sein neuester Biograf Joachim Reiber, der psychologisierend den Lebensweg nachzeichnet und auf die Liebesbedürftigkeit des Komponisten hinweist. Familiäre Nahebeziehungen zu Dirigenten wie Furtwängler oder Toscanini und zum Bayreuther Wagner-Clan waren ebenso hilfreich für die Karriere wie überhaupt Einem ein bemerkenswertes Talent zum Netzwerker hatte. „Man muss die richtigen Leute kennen“, betonte er denn auch. Er bewunderte Hitler, ohne Nazi zu sein. Seine Mutter spielte eine geheimnisvolle Rolle, wurde in Abwesenheit in Frankreich 1940 als „Spionin“zum Tode verurteilt, nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings in einem zweiten Prozess freigesprochen. Auch die Gestapo hatte sie inhaftiert, eine spannende Figur der Zeitgeschichte.
Lotte Ingrisch protestiert übrigens gegen das Buch von Joachim Reiber, der einiges falsch dargestellt habe, etwa die Beziehung zwischen Gottfried von Einem und Friedrich Dürrenmatt („Besuch der alten Dame“). Dennoch hat der Autor dank der Forschungen in Korrespondenzen und Archiven viel Neues zutage gefördert. In die Geschichte der Salzburger Festspiele ist Einem auch als Mitglied des Direktoriums eingegangen, wo er allerdings wegen seines Einsatzes für Bertolt Brecht wieder hinauskomplimentiert wurde. Auch die Salzburger Festspiele gedenken heuer Gottfried von Einems mit einem Opernabend.