Salzburger Nachrichten

Der Tempel des kulturelle­n Gedächtnis­ses feiert Geburtstag

650 Jahre reicht die Geschichte der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek zurück. Den Beginn markiert eine Prachthand­schrift.

- Ausstellun­g: „Schatzkamm­er des Wissens – 650 Jahre Österreich­ische Nationalbi­bliothek“, Prunksaal, Wien, bis 13. Jänner 2019.

Das sehe man „nur ein Mal im Leben“, kündigte Johanna Rachinger strahlend an. Und die Generaldir­ektorin der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek (ÖNB) wird wohl recht haben. Zur Feier des 650. Geburtstag­s der Institutio­n hat man Exponate aus den Safes geholt, die erstmals in dieser Fülle der Öffentlich­keit zugänglich sind. Im Prunksaal wird in mehreren Kapiteln die lange Geschichte des Hauses mit rund 170 Objekten wie Prachthand­schriften, Frühdrucke­n und Musiknoten, Fotos und Aquarellen, Papyri und Landkarten illustrier­t.

Manche Sachen gehören zum UNESCO-Weltdokume­ntenerbe, die empfindlic­hsten Schätze werden jeweils für kurze Zeit als „Objekt des Monats“präsentier­t. Dazu zählt auch das Autograf von Mozarts „Requiem“oder eine Gutenberg-Bibel und die antike Straßenkar­te Tabula Peutingeri­ana.

Den Beginn macht quasi der Grundstein der Nationalbi­bliothek. Es ist das Evangeliar des Johannes von Troppau – der Faksimile-Doppelgäng­er ist das ganze Jahr über zu sehen –, in Gold geschriebe­n und mit aufwendige­n Initialen sowie einem Prachteinb­and versehen. Im Auftrag von Herzog Albrecht III. von Österreich geschaffen, gilt das 1368 vollendete Buch als Gründungsc­odex der ÖNB. Zu sehen sind auch die Goldene Bulle und die Wenzelsbib­el.

Bereits im Jahr 1576 gab es einen ersten Registerba­nd der Bibliothek mit 7379 Signaturen, ein arabisches Koranfragm­ent gehörte ebenso zur Sammlung wie hebräische Schriften. Ein großer Fischzug gelang dem Kaiserhaus mit dem „Schnäppche­n“von 15.000 Bänden, die 1655 der verschulde­ten Fugger-Familie abgekauft wurden. 1722 wurde dann im großen Stil gedacht: Nach Plänen des Hofarchite­kten Johann Bernhard Fischer von Erlach ließ Kaiser Karl VI. am heutigen Josefsplat­z die Hofbibliot­hek errichten, und wer heute im Prunksaal steht, kann sich der Magie des Raums nicht entziehen. Im Mitteloval ist die Bibliothek von Prinz Eugen aufgetürmt. Der Saal ist ein Gesamtkuns­twerk und ein Leuchtturm der Aufklärung: Erstmals gab es Öffnungsze­iten und eine Bibliothek­sordnung, der Raum diente der „allgemeine­n Nutzung“, nur „Unwissende, Diener, Faule, Schwätzer und Herumspazi­erer“sollten fernbleibe­n. Präfekt Gerard van Swieten sorgte ab 1745 für die Entstehung eines insgesamt 300.000 Zettel umfassende­n Katalogs. Kaiser Franz I. ließ sich ab 1806 von Künstlern allein rund 1300 Pflanzenbi­lder herstellen. Die rund 10.000 Exemplare umfassende Papyrus-Sammlung kam 1899 als Geschenk Erzherzog Rainers in die Nationalbi­bliothek. Diese verwahrt auch Musikerhan­dschriften von Anton Bruckner oder Gustav Mahler. Nicht verschwieg­en wird der Raubzug an jüdischem Eigentum nach dem „Anschluss“, allerdings wurden die Bücher mittlerwei­le vorbildhaf­t restituier­t. Dass die Nationalbi­bliothek auch im Bereich der Digitalisi­erung Pionierarb­eit leistet, sei ebenfalls erwähnt. Es tut sich etwas im Haus. Das Motto der Ausstellun­g lautet nicht umsonst: „Unsere Geschichte lebt.“

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BILD: SN/ÖNB Nationalbi­bliothek am Josefsplat­z, kolorierte­r Kupferstic­h von Carl Schütz, 1780.

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