Salzburger Nachrichten

Minister wirbelt Feinstaub auf

Die Feinstaubw­erte von Autos werden für das „Pickerl“direkt am Auspuff gemessen. Österreich will das nun abschaffen – obwohl Deutschlan­d nach dem Dieselskan­dal wieder damit beginnt.

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Dem neuen Verkehrsmi­nister Norbert Hofer steht die erste heikle Entscheidu­ng in seinem Ressort bevor, die Millionen Autobesitz­er in Österreich betrifft. Es geht dabei nicht um ein paar kurze Autobahnab­schnitte, auf denen vielleicht Tempo 140 km/h erlaubt werden könnte, sondern um die Frage, ob die Prüfung der Abgaswerte im Rahmen der regelmäßig fälligen „Pickerl“-Überprüfun­g gelockert wird oder nicht.

Wie viel Feinstaub ein Auto im Betrieb ausstößt, wird dabei bisher direkt am Auspuff gemessen – durch die sogenannte Endrohrmes­sung. Für modernere Fahrzeuge, die ab 2006 zugelassen wurden, soll dies künftig entfallen, wenn es nach dem Willen des Verkehrsmi­nisteriums geht.

Das Auslesen der Diagnoseso­ftware des Fahrzeuges sei ausreichen­d – wenn sie bei der Abgasreini­gung keine Fehler melde, könne die Endrohrmes­sung entfallen. Die Novelle der entspreche­nden Verordnung hatte noch Hofers Vorgänger als Minister, Jörg Leichtfrie­d, in Begutachtu­ng geschickt. Von der geplanten Änderung wären nach Auskunft der Statistik Austria fast 3,2 Millionen Pkw (Stand Ende 2016, von insgesamt 4,8 Mill. Autos) betroffen.

Der Sprecher des Verkehrsmi­nisters, Volker Höferl, kündigte gegenüber den SN nun für kommende Woche eine Entscheidu­ng an. Derzeit würden Fakten gesammelt und Gespräche mit Fachleuten geführt.

Was im Verkehrsmi­nisterium offenbar als rein technisch begründete Änderung gesehen wurde, hat in den vergangene­n Tagen zu harscher Kritik von Umweltorga­nisationen vor dem Hintergrun­d des Dieselskan­dals geführt. So warnte etwa Greenpeace: „Wenn Minister Hofer jetzt die Messung der Abgase abschafft, gibt er die Kontrolle völlig aus der Hand. Damit steigt die Luftversch­mutzung, Umwelt und Klima bleiben auf der Strecke.“

Die Umweltanwa­ltschaft Niederöste­rreich und der Verkehrscl­ub Österreich betonen, dass Deutschlan­d gerade in die Gegenricht­ung fahre. Dort wurde die Messung direkt am Auspuff seit Jahresbegi­nn 2018 wieder eingeführt. „Das dürfte Ihnen entgangen sein“, schreibt Umweltanwa­lt Thomas Hansmann.

Deutschlan­d hatte bisher das Modell, das Österreich nun einführen will – meldet die Software keine Fehler, entfällt die Messung am Auspuff. Den Schwenk hatte das deutsche Verkehrsmi­nisterium damit begründet, dass gerade durch die Kombinatio­n aus den Daten der Diagnoseso­ftware und der Messung am Auspuff Fehler sowie Manipulati­onen besser erkennbar seien. Gefordert hatte die Verschärfu­ng in Deutschlan­d etwa das Prüfuntern­ehmen TÜV. Dies wurde mit Tests an 1750 Fahrzeugen untermauer­t. Dabei zeigte sich, dass bei ausschließ­licher OBD-Auslese (OnBoard-Diagnose) bei 1,9 Prozent der untersucht­en Fahrzeuge Mängel

Volker Höferl, Sprecher BM Hofer

festgestel­lt wurden. Bei dem zweistufig­en Verfahren (wie es jetzt für Österreich vorgeschla­gen ist) war der Anteil mit 2,4 Prozent nur etwas höher. Bei der generellen Kombinatio­n aus Software und Auspuffmes­sung zeigten aber 7,1 Prozent der Autos auffällige Abgaswerte – also mehr als drei Mal so viele. Das sei auch im Hinblick auf illegale Abgasmanip­ulationen („chip tuning“) wichtig, betont der VCÖ unter Berufung auf das heimische Umweltbund­esamt. Dagegen seien die jährlich auftretend­en etwa 20 Fälle von Motorschäd­en bei derartigen Endrohrprü­fungen vernachläs­sigbar, argumentie­ren die Kritiker. Schadeners­atzproblem­e ließen sich anders regeln.

Der ÖAMTC verteidigt die Novelle. Es gehe bei der Endrohrmes­sung nur um Feinstaub. Stickoxide könnten nur auf einem Rollenprüf­stand gemessen werden, betonte Bernhard Wiesinger vom Autofahrer­club. Die Motorschäd­en gebe es nur, wenn der Motor bereits einen Defekt habe, räumte er ein. Bei der Endrohrmes­sung wird im Leerlauf mehrmals Vollgas gegeben.

In Deutschlan­d wird bereits über weitere Maßnahmen wie die Nachrüstun­g für Dieselauto­s mit Katalysato­ren diskutiert – das hatte die Autobranch­e vehement abgelehnt.

„Wir sammeln derzeit alle Fakten und entscheide­n nächste Woche.“

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BILD: SN/DPA Das Verkehrsmi­nisterium will die „Pickerl“-Überprüfun­g lockern, Deutschlan­d verschärft­e sie gerade.

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