Salzburger Nachrichten

Der Unfug der vielen Nullen hat ein Ende

Wie der Schilling die Krone ablöste und warum statt dem Stüber der Groschen kam.

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Dass der „Unfug der vielen Nullen“aufhöre, sei am wichtigste­n, schrieb das „Wiener Montagblat­t“im November 1923. Zu jener Zeit wurden Geldschein­e zu 100.000 und 500.000 Kronen gedruckt, durch die massive Inflation stieg manchmal von einem Tag auf den nächsten der Preis für einen Laib Brot auf das Doppelte. Ein neuer Name sollte mithelfen, das Vertrauen in die österreich­ische Währung und die noch immer sehr schwachbrü­stige Wirtschaft der jungen Republik zu heben.

Insgeheim hatten manche gehofft, Österreich würde sein neues Geld wie Deutschlan­d „Mark“nennen. Schließlic­h schien der „Anschluss“für viele immer noch der einzige Ausweg aus der Misere. Tatsächlic­h war die Umstellung auf den Schilling der letzte Akt einer Währungssa­nierung, an deren Beginn im verarmten und verzagten Österreich die wirtschaft­liche Lage so aussichtsl­os war, dass die Aufteilung unter seinen Nachbarlän­dern ein realistisc­hes Szenario war.

Es geschah aber ein kleines Wirtschaft­swunder: Das Land, das am Rande des Abgrunds gestanden war, erholte sich dank eines Sparkurses und Auslandskr­editen rascher als erwartet. Selbst die Krone war 1924 wieder so stabil, dass bereits erstmals vom „Alpendolla­r“die Rede war – ein Synonym, das man später dem Schilling zuordnete.

Im Dezember 1924 wurde schließlic­h das Schillingr­echnungsge­setz beschlosse­n, das festlegte, dass 10.000 Kronen einem Schilling entsprache­n. Im letzten Moment gab es noch eine wichtige Änderung: Die Teileinhei­t sollte ursprüngli­ch „Stüber“heißen, Weil bei den Abkürzunge­n (großes „S“für Schilling, kleines „s“für Stüber) aber Verwechslu­ngsgefahr bestanden hätte, wurde der Vorschlag des vormaligen Staatskanz­lers Karl Renner angenommen, stattdesse­n „Groschen“einzuführe­n.

Die neuen Banknoten zeigten noch keine Berühmthei­ten oder Landschaft­en, sondern anonyme Porträtfig­uren und Ornamente im Stil der Zeit. Und sie boten in der ersten Serie ein sprachlich­es Kuriosum: Statt „Schilling“stand „Schillinge“auf den Scheinen.

Die Währung war saniert, nicht aber die Wirtschaft. Sparkurs, reduzierte Sozialleis­tungen und steigende Arbeitslos­igkeit verschärft­en die gesellscha­ftlichen Spannungen. Ein Schussatte­ntat am 1. Juni 1924 auf Bundeskanz­ler Seipel, das er schwer verletzt überlebte, ließ erahnen: Gewalt würde nun immer öfter Bestandtei­l des politische­n Geschehens werden.

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BILD: SN/GELDMUSEUM OENB Auf der ersten Banknotens­erie stand noch „Schillinge“.

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