Der eine pflanzt, der andere klettert
Martin Kieninger kaufte ein Stück Land in Spanien. Stefan Kieninger zieht es immer hoch hinauf. Von den beiden Brüdern kann man viel lernen: etwa, wie man sich mit Wein und Arbeit Träume erfüllt und gleichzeitig sein Leben im Griff behält.
SALZBURG. Stefan Kieninger sitzt in seiner Salzburger Boulderbar. Das ist eine Kletterhalle samt cooler Bar. Als Tagesgericht hat er heute drei Eintöpfe im Angebot. Wir nehmen den Fünf-Gewürze-Eintopf (Rezept siehe unten). Er schmeckt super.
Stefan war vor 16 Jahren schon einmal ziemlich berühmt. Damals hatte er nicht nur einen Auftritt vor 18 Millionen Fernsehzuschauern in „Wetten, dass..?“Er wurde sogar zum Wettkönig gewählt. Zuvor bezwang er ganz locker nur mit Steigeisen und Eispickel ausgerüstet schneller einen 35 Meter hohen Eiskoloss als ein Feuerwehrmann mit seiner Leiter. Den medialen Rückenwind nutzte Stefan ganz solide. Er baute ein neues Handwerk auf und nannte seine Firma „Höhenwerkstatt“. Die ist bis heute schön gewachsen: Österreichweit bietet Stefan in fünf Filialen die Dienstleistungen Höhenarbeit, Höhenrettung und Sicherheitstechnik an. Dabei wäre die Technik eigentlich seinem älteren Bruder Martin vorbehalten gewesen. Dieser studierte in Graz am Forschungszentrum für Arbeit, Technik und Kultur, später kam die Architektur hinzu. Die Erkenntnis, dass diese Themen auch für den Weinbau nützlich sein könnten, habe sich ihm damals noch nicht erschlossen. Aber vor 28 Jahren bestieg er in Andalusien den höchsten Berg der iberischen Halbinsel, den Mulhacén. Auf 3000 Metern Seehöhe lernte er in einer Schutzhütte Ana kennen. Es hat gefunkt. Die beiden wurden ein Paar und lebten acht Jahre in Österreich. 1998 ging es zurück nach Andalusien. „Ich wollte meine Ruhe haben“, sagt Martin. Málaga war ihm also zu laut und selbst das kleine 60 Kilometer entfernte bildhübsche Städtchen Ronda erschien ihm noch als zu geschäftig. Aber 15 Kilometer von Ronda entfernt hat es ihm dann ein Abhang angetan. „Da war nur Erde, ein bisserl Vegetation und eine Ruine“, sagt er. „Aber“, so fährt er mit erhobenem Zeigefinger fort, „auch eine Quelle. Mehr haben wir zunächst nicht gebraucht.“ Martin hatte einen Plan. Es gab in Ronda keinen Weinbau. Aber er wusste, dass schon die Phönizier und ein paar genusssüchtige Mauren hier Weinbau betrieben.
Also baute er mit Ana ein Haus, dann zeugten sie ein Kind und schlussendlich pflanzten sie Reben. Der Südhang erwies sich önologisch als Jackpot. Eine sechs Meter dicke Lehmschicht speichert hier bis Mai so viel Regenwasser, dass während der Trockenzeit bis Ende September keine künstliche Bewässerung notwendig ist. Der gesamte Weinberg ist von Hecken, Quitten, Granatäpfeln, Wildrosen und wild wuchernden Brombeeren umsäumt. „Das ist ein Schutz für Insekten und Mikroorganismen“, erklärt Martin. Dieses Rückzugsgebiet schaffe ein natürliches Gleichgewicht, das Schädlinge und Krankheiten gar nicht erst aufkommen lasse. Und wenn es Probleme gab, dann hat Martin nicht eher geruht, bis sie bereinigt wurden.
„Das unterscheidet uns schon“, sagt Stefan. „Martin scheut keinen Streit. Und ich mag nicht streiten. Da klettere ich lieber in die nächste Wand.“Stefan ist heute auch ein exzellenter Wirt. In der Boulderbar legt er Wert auf die Auswahl der Speisen und Getränke. Die Weinauswahl ist grandios. Immerhin hat er Martins Weine im Sortiment. Dessen Blaufränkischer wurde 2007 von den ehrwürdigen Verkostern des Cata Club in Barcelona mit fünf von fünf Sternen ausgezeichnet. Das war der Durchbruch. Neben österreichischen Reben hat Martin auch spanische und französische gepflanzt.
20 Jahre nach dem Beginn ihrer ungleichen Karrieren sitzen sie nun in der Boulderbar und löffeln Eintopf. Martin schenkt eine Cuvée aus Cabernet-Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc ein. „Habt ihr überhaupt noch Ziele?“, fragen wir die beiden gebürtigen Rieder. Martin überlegt kurz und sagt: „Ja. Weißwein möchte ich schon noch machen. Ein bisschen Land hab ich ja noch.“Stefan? „Ich gehe heuer wieder von Menton am Mittelmeer über die Alpen nach Wien. Da kann man super abschalten.“So sind sie nun einmal: Der eine pflanzt, der andere klettert.