EU-Flüchtlingsquote ist vorerst vom Verhandlungstisch
Deutschland ändert den Kurs, Österreich sieht sich bestätigt.
Deutschland ist bereit, die erbitterte Debatte über eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU vorerst zu beenden. Um Fortschritte bei der geplanten Reform des Asyl- und Flüchtlingssystems der EU zu erzielen, sei es wohl sinnvoll, sich erst auf die anderen Themen zu konzentrieren, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag am Rande von EU-Beratungen in Sofia. Dazu gehörten zum Beispiel eine Einigung auf Regelungen für Asylverfahren.
Österreichs Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sah sich dadurch bestätigt.
Seit drei Jahren wird in der EU über einen Verteilungsmechanismus von Flüchtlingen im Krisenfall gestritten. Beim Innenminister-Treffen am Donnerstag in Bulgariens Hauptstadt Sofia rückt erstmals der deutsche Innenminister Thomas de Maizière von einer verpflichtenden Quote ab. Den Anfang hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in einem Interview tags davor gemacht, in dem er davor warnte, die „größte Errungenschaft der EU“zu gefährden, „die Überwindung der Teilung Europas“. „Viel wichtiger als Verteilungsquoten erscheint mir daher eine gemeinsame Politik der Migrationssteuerung und der Integration in der EU“, sagte Schäuble.
Die geplante Reform des Europäischen Asylsystems droht die EU zu spalten, weil die osteuropäischen Länder und auch Österreich die vorgesehenen verpflichtenden Flüchtlingsquoten strikt ablehnen. Als Erster hatte Ratspräsident Donald Tusk die Quoten als „ineffizient“und „Spaltpilz“bezeichnet.
Mit der Haltungsänderung in Berlin ist die Debatte darüber quasi erledigt. De Maizière sagte, es wäre „sinnvoll, wenn wir uns zeitlich zunächst auf die anderen Themen konzentrieren“, bei denen eine Einigung leichter sei, etwa gemeinsame Verfahren oder Aufnahmebedingungen. Ob es eine Einigung ohne Verteilung geben könne, solle am Ende der Verhandlungen entschieden werden. Österreichs neuer Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), der erstmals bei einem EU-Ministertreffen dabei war, sieht sich bestätigt: Es herrsche das Bewusstsein, dass man für eine substanzielle Lösung des Flüchtlingsproblems an die Wurzeln gehen müsse, meinte er. Dies bedeute primär Solidarität beim Schutz der EU-Außengrenzen, bei der Rückführung illegaler Migranten und beim Kampf gegen das Schlepperunwesen, sagte Kickl. Zur Frage eines Verteilungsschlüssels sagte er, es wäre „unvernünftig, den zweiten Schritt vor dem ersten machen zu wollen“. Die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU sei „nicht zielführend“. Sollte die Reform des Dublin-Systems nicht wie geplant bis Juni gelingen und in Österreichs EU-Ratsvorsitz im zweien Halbjahr wandern, will Kickl an dieser Linie festhalten. Die EU sollte den Menschen nichts „von oben oktroyieren“.
Kickl wurde im Kollegenkreis höflich freundlich aufgenommen. Der Luxemburger Jean Asselborn, einer der Kritiker der ÖVP-FPÖ-Regierung, meinte auf die Frage, ob er mit dem österreichischen Kollegen sprechen werde: „Warum nicht? Ich bin ja kein Menschenfresser.“De Maizière nannte sein Gespräch mit Kickl „sehr nachbarschaftlich“und dessen Beitrag „konstruktiv“.