Ministerin erwartet Nachwuchs
Ministerin teilt ihre Sorge um Vereinbarkeit mit sehr vielen Frauen und manch Politikerin.
Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) gab am Donnerstag via Facebook bekannt, dass sie im Juli ein Kind erwarte. Köstinger betonte: „Ich weiß, dass ich meine Sorge um Vereinbarkeit mit sehr vielen Frauen teile.“Eine Diskussion um Vereinbarkeit von Mutterschaft und Ministeramt könne „gesellschaftlich einiges anstoßen und generell den Fokus auf mehr und bessere Vereinbarkeit lenken“, sagt Politikberater Thomas Hofer den SN. Laut einer Studie verliert der Beruf nach einer Babypause an Stellenwert, aber die Zufriedenheit steigt.
WIEN. Die Vereinbarkeit von Politik und Mutterrolle ist seit jeher für Schlagzeilen gut. 1990 löste GrünAbgeordnete Christine Heindl Aufruhr im Parlament aus, als sie ihren wenige Wochen alten Sohn Michael im Plenarsaal stillte.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später, nämlich vergangenen Sommer, machte die neuseeländische Sozialdemokratin Jacinda Ardern Schlagzeilen. Sie beschwerte sich heftig, dass eine der ersten Fragen, die ihr gestellt wurden, die Frage nach künftigen eigenen Kindern war. Für sie sei das in Ordnung, sagte Ardern. Ansonsten aber sei es „völlig unannehmbar, dass Frauen im Jahr 2017 am Arbeitsplatz auf eine solche Frage antworten sollen“. Im Oktober wurde Ardern Premierministerin. Und dieser Tage erklärte die populäre Regierungschefin, im vierten Monat schwanger zu sein. Ihr Kind soll im Juni zur Welt kommen. Ardern will nach der Geburt sechs Wochen Babypause machen, dann zurück ins Büro.
Ardern ist nicht die erste Premierministerin, die im Amt ein Kind bekommt. 1990 – als Christine Heindl mit Baby im Parlament saß – wurde die pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto Mutter.
Gestern, Donnerstag, verlautete die frohe Kunde aus dem Umweltund Landwirtschaftsministerium. Ressortchefin Elisabeth Köstinger (39) machte via Facebook publik, dass sie „im Juli ein kleines großes Wunder“willkommen heißen werde. Nach der früheren Justizministerin Karin Gastinger wird sie schon (oder erst) die zweite heimische Ministerin sein, die während ihrer Amtszeit ein Kind bekommt.
Ganz überraschend kam das nicht. Als die Kurz-Vertraute sich im November zur Nationalratspräsidentin wählen ließ, waren prompt Gerüchte aufgetaucht, denen zufolge das eher ruhige Spitzenamt im Parlament sich eher mit Köstingers unmittelbarer Familienplanung vertragen könnte als ein Ministerjob. Die Gerüchte verstummten, als Köstinger nach 39 Tagen an der Parlamentsspitze mit dem Agrarressort betraut wurde.
Köstinger kündigte an, ihre Funktion als Ministerin „mit voller Kraft“weiter auszuüben. Nach der Geburt werde sie für rund acht Wochen zu Hause bleiben, danach werde ihr Partner in Karenz gehen. „Wir werden uns partnerschaftlich um unser Kind kümmern und ich weiß, dass ich meine Sorge um Vereinbarkeit mit sehr vielen Frauen teile.“
Den 16-wöchigen verpflichtenden Mutterschutz gebe es für Ministerinnen nicht, weil ein Regierungsamt nicht dem Arbeitsrecht unterliege, sagt Verfassungsrechtler Heinz Mayer den SN. „Sie hat eine Funktion, ob sie die ausüben kann, muss sie selbst beurteilen.“Bei der Dauer der Babypause sei es wie bei Selbstständigen. „Eine Rechtsanwältin oder niedergelassene Ärztin muss auch selbst beurteilen, wann sie wieder tätig sein kann.“
Im Fall einer „zeitweiligen Verhinderung“muss die Ministerin gemäß Verfassung durch einen anderen Minister oder einen Beamten ihres Hauses vertreten werden.
„In Österreich ist das noch ungewöhnlich, aber internationale Beispiele wie in Neuseeland zeigen, dass die Vereinbarkeit natürlich gehen kann“, urteilt der Politikberater Thomas Hofer. Eine solche Diskussion könne „gesellschaftlich einiges anstoßen und generell den Fokus auf mehr und bessere Vereinbarkeit lenken“. Im Ministerium würden Kabinett und Generalsekretär aber noch stärker ins Zentrum rücken. Hofer weist darauf hin, dass das Agrarressort „eines der größten und belastendsten“sei. Zudem spiele es gerade in der EU-Präsidentschaft „eine wichtige Rolle“.
Niederkunft und Spitzenpolitik sorgen immer wieder für Aufregung. 2009 ist die französische Justizministerin Rachida Dati fünf Tage nach der Kaiserschnittgeburt ihrer Tochter wieder zum Dienst angetreten – für Kritiker zu früh. Auch Ségolène Royal kam 1992 als Umweltministerin mit ihrem vierten Kind nieder. Spaniens erste Verteidigungsministerin, Carme Chacón, schritt im April 2008 im siebten Monat schwanger eine Ehrenformation der spanischen Streitkräfte ab und besuchte kurz vor der Niederkunft Truppen in Afghanistan.
Als Eva Glawischnig 2005 ihre Schwangerschaft bekannt gab, folgte eine heftige Diskussion über die Vereinbarkeit von Wahlkampf und Mutterschaft. 2009 ließ sich Glawischnig – damals schon Grünenchefin– nach der Geburt ihres zweiten Sohnes zwei Monate von Maria Vassilakou vertreten. Glawischnig klagte, dass Vereinbarkeit von Familie und Spitzenpositionen immer nur bei Frauen thematisiert werde. Ihre Kinder schützte Glawischnig stets vor Medienberichterstattung.
Einen Karriereknick bedeutete der Nachwuchs 2000 für FPÖ-Landesrätin Magda Bleckmann, die mit der Spitzenkandidatur für die steirische Landtagswahl liebäugelte. Parteikollegen hielten die Kombination von Amt und junger Mutterschaft für nicht zumutbar.
Keinen Karriereknick wird seine kurze Babypause für den steirischen Vizelandeshauptmann und SPÖ-Chef Michael Schickhofer bedeuten. Er wurde am Dienstag zum dritten Mal Vater und nimmt ab sofort den Papamonat in Anspruch.
„Die Debatte kann generell den Fokus auf bessere und mehr Vereinbarkeit lenken.“Thomas Hofer, Politikberater