Der Aufsteiger ist abgestürzt
Ex-Präsident Lula da Silva droht nach neuem Urteil in Korruptionsprozess Gefängnis. Brasilien, das größte Land Lateinamerikas, steht vor einer schwierigen Zukunft.
BRASILIA. Was sich Lula da Silva für den Herbst dieses Jahres so vorgestellt hat, wird nach Lage der Dinge ein Traum bleiben.
Am 7. Oktober wollte der frühere Staatschef erneut die Präsidentenwahl gewinnen und dann Anfang 2019 wieder in den Palácio do Planalto einziehen. Vom futuristischen Präsidentensitz in Brasilia hat der heute 72-Jährige Politiker der linken Arbeiterpartei PT zwischen 2003 und Anfang 2011 das größte Land Lateinamerikas mit Reibeisenstimme und großem Charisma regiert und dabei die halbe Welt verzaubert.
Millionen Brasilianer stiegen in dieser Zeit aus der Armut in die Mittelklasse auf. 2008 bezeichnete Barack Obama den Brasilianer einmal im Überschwang als den „beliebtesten Präsidenten des Planeten“. 15 Jahre nach dem Beginn seines steilen Aufstiegs ist der Mann, der aus einfachsten Verhältnissen kam und ein Politpopstar wurde, wieder ganz unten angelangt.
Lula da Silva ist der erste Ex-Präsident Brasiliens, der wegen Vorteilsnahme verurteilt wird. Das Berufungsgericht sprach ihn am Mittwochabend nicht, wie von seinen Anhängern erhofft, frei. Die drei Richter erhöhten seine Haftstrafe jetzt vielmehr von neun Jahren und sechs Monaten auf zwölf Monate und ein Jahr.
Lula fühlt sich für zu Unrecht verfolgt. Tatsächlich sind die Beweise eher Indizien, die belegen sollen, dass er sich hat bestechen lassen. Und die Strafe ist absurd hoch, wenn man bedenkt, dass die Justiz in ihren Ermittlungen mit zweierlei Maß misst. Der gnadenlose Antikorruptionsrichter Sérgio Moro geht besonders hart gegen Lula vor, während er Politiker, gegen die schwere Anschuldigungen vorliegen, mit weniger Eifer verfolgt.
Aber Lula stilisiert sich auch zu sehr als Opfer. Selbst wenn er nicht bewusst Bestechungsgelder angenommen hat, wusste er aber von den riesigen Korruptionsfällen um den Erdölkonzern Petrobras und die Baufirma Odebrecht.
Wie geht es nun für Lula weiter? Und was bedeutet das Urteil für die Demokratie in Brasilien? Mit der Entscheidung kann der aussichtsreichste Kandidat nicht bei der Wahl antreten. Dafür sorgt das Gesetz der „Ficha-Limpa“, das „Gesetz der weißen Weste“. Dieses schließt rechtskräftig Verurteilte von politischen Ämtern aus. Das Urteil vertieft die große Krise der Demokratie in Brasilien. Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff wurde vor knapp eineinhalb Jahren unter fragwürdigen Bedingungen ihres Amtes enthoben. Der Präsidentin wurden angebliche Haushaltstricksereien zum Verhängnis. Rousseffs Nachfolger ist ihr rechter Vizepräsident Michel Temer. Der 77-Jährige ist blasser Technokrat und Hinterzimmer-Strippenzieher, gegen den selbst schwere Korruptionsvorwürfe erhoben werden. Für die Brasilianer ist die gesamte politische Kaste hoch korrupt und nur daran interessiert, sich die Taschen zu füllen.
Noch schlimmer ist, dass von dem Urteil vor allem ein Kandidat profitiert, der der totale Gegenentwurf zu Lula ist. Der ultrarechte Aufsteiger Jair Bolsonaro liegt in den Umfragen auf Platz zwei.
Er bezeichnet sich als „antisystemischer Kandidat“. Er wird immer wieder mit rassistischen und homophoben Äußerungen auffällig und gilt als Freund der Folter als Verhörmethode. Er ist der Donald Trump Brasiliens.
„Sie tun wirklich alles, damit ich nicht kandidieren kann.“Lula da Silva, Ex-Präsident