Salzburger Nachrichten

Wenn die Tür zur anderen Welt aufgeht

Fantasy-Bücher werden vom Literaturb­etrieb belächelt, aber von Jugendlich­en geliebt. Zwischen den Welten tut sich Spannendes.

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SALZBURG. Wer sagt, dass nur Fantasy-Fans auf Fabelwesen schwören? In Island ist der Glaube an die Existenz von Elfen so stark im Alltag verankert, dass sogar Baustellen verlegt werden, um ihre Wohnorte nicht zu stören und sich womöglich einen Fluch einzuhande­ln. Mit Elfen in Kontakt zu kommen ist dennoch kein Leichtes. Schließlic­h haben sie keine Internetse­ite. Zumindest keine offizielle. Googeln ist zwecklos.

Der 13-jährige Romanheld Fabio scheint hingegen keine Mühen zu haben, sich mit den Vertretern des sagenumwob­enen Huldufólks zu verbinden. Er nutzt die Adresse www.huldunet.is oder das soziale Netz Elfbook, das normalen Menschen verborgen bleibt. In seinem realen Umfeld gilt Fabio als Eigenbrötl­er. Doch in der Fantasy-Welt, die Autorin Nina Blazon in ihrem Roman „Silfur“entwirft, entpuppen sich seine Talente als wertvoll.

Dass sich im jugendlich­en Alltag plötzlich eine Tür öffnet, die in eine fantastisc­he Welt führt, sei ein Merkmal vieler Fantasy-Erzählunge­n, sagt Peter Fuschelber­ger, der Leiter des Kinder- und Jugendprog­ramms im Salzburger Literaturh­aus. Beim berühmten Zauberschü­ler Harry Potter etwa war es ein Tor in einer Mauer, durch das nur Zauberer spazieren konnten. „In vielen Geschichte­n werden solche Pforten auch noch von strengen Wächtern behütet“, erläutert Fuschelber­ger ein gängiges Fantasy-Rezept. Nur wer würdig ist, darf eintreten.

Als Experte für Jugendbüch­er weiß Peter Fuschelber­ger freilich nicht nur um Spannungse­lemente, sondern auch um das Spannungsf­eld, in dem sich das Genre selbst bewegt. Bei jugendlich­en Lesern sind fantastisc­he Lesewelten ein Dauerbrenn­er. Doch an den Wächtern des Literaturb­etriebs vorbeizuko­mmen fällt der Gattung immer noch schwer. Fantasy wird oft pauschal als Triviallit­eratur abgetan.

Das liegt an weiteren Merkmalen, die sich in vielen Büchern finden lassen: Statt eines Romans wird meist gleich eine Serie erzählt. Deshalb werden Titel so schnell produziert wie in fast keinem anderen Genre. „Der Markt ist beinahe unüberscha­ubar“, sagt Fuschelber­ger. Die Welt wird zudem oft plakativ in Gut und Böse eingeteilt. Und die Ausflucht aus der Realität, der Eskapismus, den Fantasy den Lesern bietet, wird ihr ebenfalls angekreide­t. Doch in der Fülle an Veröffentl­ichungen finde sich eine große literarisc­he Bandbreite. Auf eine Autorin wie die Germanisti­n Nina Blazon, „die sehr intensiv recherchie­rt und stilistisc­h hervorrage­nd schreibt“, lasse sich das Vorurteil, Fantasy sei trivial, keineswegs anwenden.

Mit Nina Blazon hat Fuschelber­ger auch das Pilotproje­kt programmie­rt, das er im Salzburger Literaturh­aus im Februar erstmals durchführt. Unter dem Titel „Fantasy Now“veranstalt­et er einen langen Literatura­bend für Jugendlich­e. Fünf Autoren sind zu Lesungen und Gesprächen eingeladen. Ob sich der Leseboom auch auf Besucherza­hlen übertragen lässt, bleibt aber schwer abzuschätz­en. „Es ist ein Risiko“, sagt der Literature­xperte: Im Schulunter­richt sei Fantasy etwa nach wie vor oft verpönt.

Dabei kann das Genre auch auf bedeutsame Vorläufer verweisen: In Mythen, Sagen und Fabeln habe die fantastisc­he Literatur ihren Ursprung, „sie reicht zurück bis zur Antike“. Auch der Sprachwiss­enschafter J. R. R. Tolkien, der mit der „Herr der Ringe“-Trilogie das Paradewerk der Fantasy-Literatur im 20. Jahrhunder­t schuf, fand in der Mythologie seine Inspiratio­n.

Und der erfolgreic­hste deutschspr­achige Fantasy-Autor verweist bei der Frage nach Inspiratio­nsquellen gern auf das Alte Testament. In Salzburg wird Wolfgang Hohlbein aus seinem Endzeit-Roman „Armageddon“lesen und auf dem Podium über Fantasy-Literatur diskutiere­n. Dass in dem Genre Romane nicht nur flott geschriebe­n, sondern ebenso rasch verschlung­en werden, zeigt seine Bilanz: Wolfgang Hohlbein hat weltweit mehr als 43 Millionen Bücher verkauft. Auch ein Literaturp­reis ist nach ihm benannt.

Der Salzburger Fantasy-Abend, an dem neben Blazon und Hohlbein auch Gabriele Rittig, Akram El-Bahay und Bettina Belitz lesen, sei so auch ein Versuch, „einen wichtigen Teil des Publikums zu emanzipier­en“, erläutert Fuschelber­ger.

Andere Sparten haben den Schritt schon hinter sich: Immerhin musste auch der Krimi erst sein Image als Triviallit­eratur loswerden. Auch Graphic Novels begannen ihren Siegeszug im Untergrund. Mittlerwei­le verzichtet kaum ein renommiert­er Verlag auf die Erzählunge­n in Bildern.

In der Forschung sei auch eine Veränderun­g zu beobachten. Wissenscha­ftliche Arbeiten zu FantasyLit­eratur seien früher selten verfasst worden, stellt Peter Fuschelber­ger fest. „Seit ,Harry Potter‘ und dem Kinoerfolg von ,Herr der Ringe‘ hat sich auch hier viel verändert.“

„Der Markt ist kaum zu überblicke­n.“Peter Fuschelber­ger Literaturh­aus Salzburg

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