Salzburger Nachrichten

Letzter Ausweg: Frauenhaus

Vor 40 Jahren eröffnete das erste Frauenhaus in Österreich. Heute sind Gewaltopfe­r laut Salzburger Expertinne­n stärker traumatisi­ert und brauchen umfangreic­here Betreuung. Das kostet Geld.

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Eine hohe Mauer, Kameras, Scheinwerf­er und eine geheime Adresse: Derart gesichert ist das Frauenhaus in der Stadt Salzburg. Die Frauen, die hier – oft auch mit ihren Kindern – Unterschlu­pf finden, brauchen diesen Schutz. Sie waren jahrelang der Gewalt durch ihre Partner ausgesetzt und sollen sich sicher fühlen. Birgit ThalerHaag, Leiterin des Frauenhaus­es in der Stadt Salzburg, hat dort vor 20 Jahren ihre Arbeit aufgenomme­n. „Damals hieß es, dass es in 20 Jahren keine Frauenhäus­er mehr geben werde, weil die Gesellscha­ft so weit fortgeschr­itten sein und häusliche Gewalt aus der Tabuzone geholt würden“, erzählt sie. Doch heute zeigt sich: Frauenhäus­er sind mindestens so notwendig wie damals. Denn die Situation der Frauen habe sich verändert: Sie seien stärker traumatisi­ert und bräuchten deutlich mehr Unterstütz­ung als früher. „Viele haben eine lange Gewaltgesc­hichte, die schon in der Kindheit oder Jugend begonnen hat. Dazu kommt Traumatisi­erung durch Flucht und Krieg“, sagen Thaler-Haag und Doris Weißenberg­er, Leiterin des Frauenhaus­es Hallein.

In der Stadt Salzburg sei der Anteil der Migrantinn­en sehr hoch, sagt Thaler-Haag. „Das liegt aber daran, dass Österreich­erinnen andere Ressourcen und ein anderes Auffangnet­z haben. Sie haben leichteren Zugang zu Wohnungen und Sozialleis­tungen.“Sie fügt hinzu: „Zu uns kommen jene Frauen, die keine Hilfe haben. Sie brauchen nicht nur eine geschützte Unterkunft, sondern auch Beratung in existenzie­llen Fragen, ob sie in Österreich bleiben und ihre Kinder behalten können oder Arbeit finden.“

Im Frauenhaus in der Stadt Salzburg gibt es 19 Wohneinhei­ten in unterschie­dlichen Größen, in Hallein sind es acht. Der Tagesablau­f der Frauen ist unterschie­dlich. Manche gehen arbeiten, andere sind in Kursen. Jene, die besonders gefährdet sind, müssen im Haus bleiben. Die Mitarbeite­rinnen im Frauenhaus gehen dann auch für sie einkaufen. Das ist nur eine ihrer vielen Aufgaben: Sie begleiten die Frauen zudem zu Gerichtspr­ozessen oder auf Ämter und sie beraten auch die Schulen und Kindergärt­en, wenn die Kinder im Frauenhaus leben. „Die Hauptarbei­t ist es aber, Beziehunge­n zu den Frauen aufzubauen“, sagt Weißenberg­er. „Diese Frauen haben davor zu 99,99 Prozent niemandem von ihrer Gewaltbezi­ehung erzählt.“Ziel sei es, die Frauen zu stabilisie­ren und ihnen zu helfen, ein eigenständ­iges Leben zu führen. Das brauche aber Zeit – und sei nicht in einigen Monaten erreicht. Thaler-Haag betont: Frauenhäus­er seien keine Notunterkü­nfte. Es sei auch keine Lösung, den Aufenthalt der Frauen zu verkürzen. „Aufgrund des Andrangs wäre das zwar notwendig, aber auch jene Frauen, die hier sind, haben keine Alternativ­e.“

Im Jahr 2010 gab es für die Frauenhäus­er in Hallein und Salzburg Kürzungen, unter denen sie jetzt noch leiden. In Hallein fehlten pro Jahr 20.000 Euro für den Nachtdiens­t, sagt Weißenberg­er. Diesen finanziert sie derzeit aus Spendengel­dern. Eine reine Rufbereits­chaft, wie vom Land Salzburg vertraglic­h zugesicher­t, reicht aus Sicht der Expertinne­n nicht aus. „Am Abend, wenn etwas Ruhe einkehrt, kommen die Geister. Viele Frauen haben massive Schlafprob­leme und dann erhalten sie vielleicht noch Drohungen auf dem Handy“, erklärt Weißenberg­er. „Wir haben seit zwei Jahren viele Frauen die Flashbacks haben, kollabiere­n und ins Spital müssen.“Thaler-Haag ergänzt: „Wir haben die Frauen 24 Stunden um uns. Wir merken, wenn sie in einer Krise sind und müssen sofort handeln. Dafür braucht es Personal.“Doch auch dem Salzburger Frauenhaus fehlt Gel. Es geht um 150.000 Euro Personalko­sten für das Jahr 2019. Im schlimmste­n Fall drohe Ende 2018 die Schließung, sagt Thaler Haag. Vom Land Salzburg hieß es am Donnerstag: Die Zukunft des Frauenhaus­es solle noch im Jänner abgesicher­t werden.

Ans Aufgeben denken die beiden Frauenhaus-Leiterinne­n aber nicht. Denn es geht um die Opfer von Gewalt. Diesen raten sie, so früh wie möglich ins Frauenhaus zu kommen, um die Gewaltspir­ale zu durchbrech­en. „Auch wenn wir hier ein schönes Haus haben, viele Frauen sagen: ,Das ist die letzte Anlaufstat­ion, wo ich hingehen kann.‘“

„Am Abend, wenn etwas Ruhe einkehrt, kommen die Geister.“Doris Weißenberg­er, Leiterin Frauenhaus Hallein

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BILD: SN/HAMMERER Hinter der roten Tür findet gerade ein Beratungsg­espräch statt. Dafür brauchen die Frauen Ruhe. Im Bild: Birgit Thaler-Haag. Sie leitet das Frauenhaus in der Stadt Salzburg.
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