Männer in klassischen Pin-up-Posen verstören
Für ein Benefizprojekt für steirische Frauenhäuser werden Kalenderklischees aufs Korn genommen.
GRAZ. Ein nackter Körper, der sich in einem Laubhaufen räkelt. Eine Figur, die mit Engelsflügeln durch die Landschaft zu schweben scheint. Ein grell geschminktes Gesicht, das durch Mimik ein hohes Maß an Naivität ausstrahlt: Bilder wie diese sind in Jahreskalendern keine Seltenheit, bei den Akteuren handelt es sich ausschließlich um Frauen. Grund genug für einen steirischen Musiker und Soziologiestudenten, einen Rollentausch vorzunehmen. In dem von Stefan Reinisch (sein Künstler- und Bandname lautet Julia G.) produzierten „Twisted Gender Roles“Kalender schlüpfen Männer – zumeist er selbst – in klassische Pin-up-Posen und machen so deren Fragwürdigkeit deutlich sichtbar.
„Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit gesellschaftlichen Themen“, sagt der 27-jährige, in Graz lebende Steirer. Schon als er seine Rauchfangkehrerlehre absolviert hat, wunderte er sich über die vom Meister aufgehängten einschlägigen Kalender. „Ich habe nie verstanden, was daran so toll oder erotisch sein soll“, berichtet Julia G. Die Künstlichkeit der Ewiggleichen-Darstellungen sei vor allem eines: peinlich. So sei bei ihm über die Jahre die Idee entstanden, das Genre Pin-up-Kalender satirisch zu überhöhen.
„Mein Ziel ist es nicht, die Leute zu belehren, sondern sie zu ermuntern, über gängige Klischees und letztlich auch über sich selbst und ihre Einstellung zu Mann und Frau nachzudenken“, sagt der Steirer, der auch Mastermind der HardrockBand Julia G. ist. Die verführerischen Werbeposen kippen durch die männliche Besetzung sofort ins Lächerliche, Fragwürdige. Einen rosa glacierten Donut essen, während man spärlich bekleidet auf einer rosa Plüschdecke liegt? Was viele bei einer Frau immer noch als „ganz normal“erachten würden, befremdet, wenn plötzlich ein Mann der Hauptdarsteller ist. Für „Twisted Gender Roles“haben alle Mitwirkenden ehrenamtlich agiert. „Es war bald klar, dass wir uns nicht bereichern wollen, sondern den Reinerlös aus dem Kalender dem Verein Frauenhäuser Steiermark, der eine tolle Arbeit leistet, zur Verfügung zu stellen“, betont der 27-Jährige.
Ebendort ist man über die Initiative hoch erfreut. „Der Kalender stößt auf große Resonanz, die ersten 250 Stück waren rasch weg, wir haben 1000 zusätzliche Exemplare nachgedruckt“, sagt Michaela Gosch, Geschäftsführerin des Vereins Frauenhäuser Steiermark. Der Kalender wirkt nur auf den ersten Blick amüsant und humorvoll. Das Nachspielen fragwürdiger Darstellungen ist ein gesellschaftskritischer Ansatz, der auf der Bildserie „Men-Ups“des amerikanischen Fotografen Rion Sabean aufbaut.
Auch Sabean hat Männer in „klassischen Frauenposen“abgelichtet und damit an tradierten Geschlechterbildern gerüttelt: Muss eine Frau denn immer sexy und lasziv sein, während der Mann stets Stärke und Souveränität auszustrahlen hat?